Der Bedarf an psychologischer Beratung oder Psychotherapie wächst – auch in Albstadt. Foto: Brichta Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Zahl der Fälle in der Psychologischen Beratungsstelle in Albstadt ist 2013 auf 453 gestiegen

Von Martin Kistner

Albstadt-Ebingen. Die Beratungsfälle, mit denen es die Psychologische Beratungsstelle in der Ebingen zu tun hat, werden mehr – und sie werden schwieriger. Das berichtete Beratungsstellenleiter Stephan Heesen am Donnerstag im Gemeinderatsausschuss für Soziales, Kultur, Schule und Sport

Die Probleme sind vielfältig und komplex – da gibt es die alleinerziehende junge Mutter, die sich Sorgen um die Entwicklung ihres Säuglings macht, die heftig pubertierende, autoaggressive 14-Jährige, das gut situierte Elternpaar, das den Sohn nicht mehr vom Rechner weg bekommt, den suizidgefährdeten jungen Mann aus schwieriger Familie oder die geschiedenen Ehepartner, die vom Familiengericht geschickt wurden und sich in Gegenwart ihrer Kinder bekriegen, gegenseitig beschimpfen und herabsetzen. 453 Beratungsfälle mit 648 Ratsuchenden hat die Beratungsstelle 2013 bewältigt, 43 mehr als 2012 – und laut Heesen waren die Probleme, aufs Ganze gesehen, gravierender als in früheren Jahren.

Woran das liegt? Auch die Gründe sind vielfältig. Vor 30 Jahren, so Heesen, gab es kein Internet, keine Smartphones, keine sozialen Netzwerke und nur drei Fernsehprogramme. Dafür gab es Eltern, die vielleicht nicht immer stimmige, aber zumindest klare Grundsätze, Wertvorstellungen und Begriffe von Erziehung hatten – Sorgen hatten die Menschen natürlich auch damals, aber die Orientierungslosigkeit war nicht so groß und der berufliche Druck und der Anspruch an sich selbst auch nicht. Die Albstädter des Jahres 2014 sind gestresster, verunsicherter und ratloser, als es ihre Eltern waren.

Zur Statistik: Von den Ratsuchenden sind 62 Prozent Frauen – gerade, wenn es um die Seele geht, scheuen Männer sich, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Von den 453 Beratungen entfielen 171 auf Erziehungs- und Familienberatung, 78 auf Ehe- und Paarberatung und 204 auf Lebensberatung. Der Anteil der Mi-granten an den Beratungen ist unterdurchschnittlich; in besonderem Maße gilt das für die Ehe- und Paarberatung.

Was kann Beratung bewirken? Laut Heesen eine Menge – schon wenige Sitzungen, versichert er, genügten, um Klienten stabiler und selbstsicherer zu machen. Die Mehrzahl von ihnen, nämlich 77 Prozent, nimmt die Beratung in der Bahnhofstraße nicht länger als fünf Sitzungen in Anspruch; Susanne Feil von den Grünen war darüber erstaunt – eine Psychotherapie mit 20 Sitzungen sei schließlich nichts Ungewöhnliches. Heesen versicherte jedoch, dass niemand weggeschickt werde, nur weil schon so lange da sei. Er unterstellt, dass bereits das Gefühl, verstanden und angenommen zu sein, viel bewirke – die Probleme seien danach nicht weg, doch der Klient eher in der Lage, mit ihnen umzugehen.

Die Beratung hilft also – aber längst nicht alle, die sie bräuchten, erhalten sie. Die durchschnittliche Wartezeit betrug im Berichtsjahr 25 Tage, die Frist, die zwischen dem ersten und dem zweiten Termin verstrich, nochmals 22 Tage. Acht Wochen Wartezeit sind jedoch nicht selten, über 100 Klienten warteten noch länger. Nur die akuten Notfälle einen Soforttermin – als Beispiel nannte Heesen einen Notalarm der Schulsozialarbeit, die von einem Mädchen auf Suiziddrohungen einer Mitschülerin im sozialen Netzwerk aufmerksam gemacht worden war. 2013 gab es insgesamt 26 solche Akutberatungen.

Die meisten aber müssten warten und die akute Krise erst einmal aussitzen.Was tun? Stephan Heesen wäre glücklich über mehr Personal – in der derzeitigen Besetzung sei an eine Erhöhung der Schlagzahl nicht zu denken. Oberbürgermeister Jürgen Gneveckow und die Kreisräte, die dem Ausschuss angehören, versprachen, dieses Problem so bald wie möglich im Kreistag aufs Tapet zu bringen.