Effi Briest und ihre Mutter in einer Kulisse, die optisch für die Täuschung steht, die ihre Leben ausmacht. Foto: Eyrich Foto: Schwarzwälder-Bote

Theater: Landestheater Schwaben serviert "Effi Briest" im modernen Schlaglicht

Verstörend – das ist das Wort, das die meisten Zuschauer benutzten, nachdem sie im Thalia-Theater die Inszenierung des Landestheaters Schwaben gesehen hatten. Und verstörend sollte diese "Effi Briest" auch sein.

Albstadt-Tailfingen. Nein, von einem gefälligen Theaterstück, einem Abend zum Zurücklehnen und Genießen zu sprechen, träfe die Inszenierung von "Effi Briest" ganz und gar nicht. Theodor Fontane, der bedeutendste deutsche Vertreter des poetischen Realismus, hätte sein 1895, drei Jahre vor seinem Tod, entstandenes Werk nicht wiedererkannt. Höchstens am Text, den Regisseurin Pia Richter vor neuzeitlicher Kulisse aufführen lässt. Dieselbe – Bühnenbildnerin Julia Nussbauer hat eine Meisterleistung vollbracht – ist eine einzige optische Täuschung, ebenso wie das Leben der Effi Briest eine einzige Täuschung zu sein schein, lebt sie doch nicht ihr Leben, sondern das, welches ihre Mutter sich gewünscht hätte, und sogar mit deren früherem Liebhaber.

So wechselt Effi von einem Käfig in den anderen. Die selige Leichtigkeit, die sie als junges Mädchen auszeichnet und die Elisabeth Hütter grandios in Mimik und Gestik umsetzt, geht ihr als Gemahlin des Barons von Innstetten (Fridtjof Stolzenwald) komplett verloren. Das starre, enge, grausig karierte Kostüm ihrer Mutter, das auch Effi irgendwann trägt, ist Sinnbild für ihr starres, ferngesteuertes Dasein mit dem stolzen, stolzierenden, starren Baron an der Seite – da hilft auch das gemeinsame Kind nicht, Effie glücklich zu machen.

Einzig Crampas – Jens Schnarre spielt ihn ebenso überzeugend wie die Mutter der Hauptfigur – bringt ein bisschen Leichtigkeit in Effis Leben – doch sie wird die Affäre bitter bereuen, am Ende abgestürzt am Fuße einer jener Treppen liegen, die so sinnbildlich für das Auf und Ab im Leben stehen.

Mal ganz verstummt, mal Rumpelstilzchen

Erstaunlich, dass es ausgerechnet Vater Briest (André Stuchlik) ist, der zu Beginn noch mal verstummter Ehemann, mal ausgerastetes Rumpelstilzchen war, dem Effi ihr Herz ausschüttet.

All das passiert – das passt ins verstörende Gesamtbild – in kurzen Szenen, auf die grelle Schlaglichter geworfen und die immer wieder unterbrochen werden. Schräge Musik, die an den Ohren zerrt, ergänzt den Eindruck der Zuschauer: dass in diesen fünf Leben nichts stimmt.

Ein ebenso einfallsreiches wie aussagekräftiges Detail der modernen Inszenierung ist der Flachbildschirm an der Wand. Was er zeigt? Effi Briest schaut sich darauf gerne Stretching-Mitmach-Videos an – ein schönes Bild für ihren Versuch, Bewegung in ihr Leben zu bringen. Instetten hingegen schätzt Kung-Fu-Kämpfe – Symbol für sein durchsetzungsstarkes Wesen und seine Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Haltung.

Nein, wer einen gemütlichen, unterhaltsamen Theaterabend verbringen will, ist in der Inszenierung des Landestheaters Schwaben falsch. Wer einen Schritt zurücktreten und sein eigenes Leben mal wieder kritisch betrachten will, der findet in dieser modernen "Effi Briest" nach Fontanes zeitlosem Roman mehr als genug Anstöße. Und immerhin: Seichte, laue Unterhaltung gibt’s ja im Fernsehen schon mehr als genug.