Hahn im Korb: Pierre Jarawan (Vierter von rechts) mit den Albstädterinnen Foto: Müller Foto: Schwarzwälder-Bote

Partnerstadt: Albstädter lernen beim Festival du Premier Roman Pierre Jarawan kennen

Wie gut sich Deutsche und Franzosen – 72 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg – verstehen, zeigt sich zuweilen in Details, etwa daran, dass die Lesekreise aus beiden Ländern beim Festival du Premier Roman den selben Autor favorisiert haben.

Albstadt/Chambéry. Auf Tuchfühlung mit Pierre Jarawan, dem Autor des Buches "Am Ende bleiben die Zedern", sind die Mitglieder des Albstädter Lesekreises für das Festival du Premier Roman in der französischen Partnerstadt Chambéry gegangen. Bei Übersetzungen, Lesungen und natürlich beim gemeinsamen Essen haben sie mehr über die Biografie des Autors und die Hintergründe seines Erstlingsromans erfahren.

Die Albstädter Delegation, deren Reise Christine Widmann-Simon, Leiterin der Stadtbücherei, organisiert hat, hat in Chambéry den dortigen Lesekreis unter der Leitung von Martin Schlosser sowie auch jenen aus Lyon getroffen und sich mit ihnen über die unterschiedlichen Verfahrensweisen ausgetauscht. Nathalie Colin-Cocchi von der Stadt Chambéry begrüßte die Albstädter, über deren Besuch sie sich freilich nicht alleine freute, wie mehrere private Einladungen zeigten, etwa bei Ute Lemke sowie Marie-Jose und Frederique Martin, Mitglieder im Partnerschaftskomitee.

Das "Festival du Premiere Roman" lädt im zentralen Bücherzelt zum Schmökern ein. Vor vielen Geschäften stehen Stühle mit den favorisierten Büchern der auserwählen Autoren; sie laden ein zum Platznehmen und Lesen.

In der Manege, dem großen Kulturzentrum, wird das 30-jährige Bestehen des Festivals mit sämtlichen Autoren genüsslich gefeiert. Beim Treffen mit Schülern beantwortet Pierre Jarawan, der mit drei Jahren vor dem Bürgerkrieg mit seiner Mutter nach Deutschland geflüchtet war, deren Fragen und betont: "Flüchtlinge sehen sich nicht als Flüchtlinge." Seither organisiert der Poetry-Slamer und sympathische Münchner Autor bei seinem "Isar-Slam-Projekt" Workshops für Lehrer. Schon mit 13 Jahren wollte der heute 32-Jährige Schriftsteller werden, um seiner Mutter später ein Haus kaufen zu können.

Er bietet Schreibworkshops für Flüchtlinge an und ist fest überzeug: "Sobald man mit jemandem gesprochen hat, fallen Ängste." Er habe es "nie verstanden, warum dies ein Manko sein sollte", denn er fühle sich in beiden Ländern daheim, sagt der Deutsch-Libanese, der beide Staatsangehörigkeiten besitzt und in seiner Geschichte eine große Bereicherung sieht.

Für sein Buch hat Jarawan zwei Jahre recherchiert und es in acht Monaten geschrieben. Auf der Suche nach der Wahrheit seines Vater vom schönen Urlaubsland Libanon und nach seiner Identität stieß er dabei auf das große Tabu-Thema: dass dort mehr als 10 000 Menschen verschwunden sind. Angehörige sind nach wie vor auf der Suche.

Obwohl der Libanon nur halb so groß ist wie Hessen, besteht die Hälfte der Bewohner derzeit aus Flüchtlingen. Nicht nur die achtzehn Religionsgemeinschaften machen ein Leben in Frieden schwierig, sondern auch, dass das Land nun von einstigen Kriegsverantwortlichen regiert wird. Die Albstädter freuen sich indes auf ein Wiedersehen mit Pierre Jarawan – und mit dem Lesekreis Chambéry.

Weitere Informationen: Jarawan, Pierre: Am Ende bleiben die Zedern, Berlin Verlag, 448 Seiten, gebunden ISBN: 978-3-82701302-6; 22 Euro, erhältlich in der Stadtbücherei Albstadt.