Volker Jehle hat Hildesheimers Briefe veröffentlicht. Foto: Schwarzwälder-Bote

Lesung: Hommage zum 100. Geburtstag

Albstadt-Lautlingen. Im Bistro Pinselstrich in der Von-Stauffenberg-Straße stellt am Freitag, 9. Dezember, Volker Jehle die von ihm herausgegebene zweibändige Edition von Wolfgang Hildesheimers Briefen an seine Eltern vor, die jüngst im Suhrkamp-Verlag erschien. Jehle hat von 1982 bis 1993 das Hildesheimer-Archiv aufgebaut und geleitet, das 1993 ins Archiv der Akademie der Künste in Berlin integriert wurde.

Hildesheimer (1916–1991) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker, Hörspielautor und Maler, dessen Leben und Schaffen in den Jahren 1937 bis 1962 durch die Briefe, die er wöchentlich an seine Eltern in Palästina beziehungsweise Israel schrieb, bestens dokumentiert ist. Sie vermitteln ein fast lückenloses Gesamtbild; Unterbrechungen gab es nur, wenn die Eltern nach Europa kamen oder wenn Hildesheimer sie in Israel besuchte.

Hildesheimer war schon vor dem beginn des Zweiten Weltkriegs nach London gegangen, um dort Kunst zu studieren, nahm 1947 als Simultandolmetscher mit amerikanischem Offiziersrang an den Nürnberger Prozessen teil – später war er Mitherausgeber zweier Bände der Prozess-Akten – und lebte seit 1949 in Ambach am Starnberger See. Eine Kurzgeschichte, die er im Winter schrieb, als es zu dunkel und zu kalt zum Malen war, wurde zur Initialzündung seiner Schriftstellerkarriere: Bereits 1951 wurde er zur Gruppe 47 eingeladen, 1955 inszenierte Gustav Gründgens sein erstes Theaterstück, im gleichen Jahr starb der Vater in Zürich. Der Briefwechsel wurde gleichwohl noch bis zum Tod der Mutter im Jahr 1962 fortgesetzt, als Hildesheimer längst in Poschiavo in Graubünden lebte und sich einen Namen als "absurder Autor" gemacht hatte.

Volker Jehle, dessen Trauzeuge Hildesheimer war, hat die Briefe an die Eltern anlässlich eines runden Geburtstags herausgegeben: Hildesheimer wäre am 9. Dezember 100 Jahre alt geworden, also genau am Tag der Lautlinger Lesung. Diese beginnt um 20.30 Uhr; das Bistro öffnet um 18.30 Uhr.

das buch: Wolfgang Hildesheimer: "Die sichtbare Wirklichkeit bedeutet mir nichts – Die Briefe an die Eltern". Herausgegeben von Volker Jehle. Suhrkamp, 1584 Seiten, zwei Bände im Schuber, 78 Euro.