Ein Erlenzeisigpaar nascht aus dem Futtersäckchen mit Erdnüssen. Das Weibchen ist im Vordergrund zu sehen. Foto: Haas

Finken-Invasion in Albstadt. Experte Haas mahnt: Auf die Art der Futterstelle kommt es an.

Albstadt - Immer mehr kleine, nur zwölf Gramm schwere Vögel, die manchmal in größeren Schwärmen von über 100 Tieren in den Wipfeln von Samen tragenden Bäumen einfallen, sind in den vergangenen Tagen in Albstadt zu beobachten. Was steckt dahinter?

"Es sind Erlenzeisige, die auf dem Weg von ihren südeuropäischen Winterquartieren in ihre nordeuropäischen Brutgebiete unstet umherstreifen und sich an Orten mit gutem Nahrungsangebot immer wieder in größerer Zahl einfinden", erklärt Vogel-Experte Dieter Haas aus Pfeffingen die Finken-Invasion in Albstadt. "Die Einflüge sind nicht so spektakulär wie die Invasion der Bergfinken, die diesen Winter in mehreren Orten Baden-Württembergs Schlafgesellschaften mit hunderttausenden Vögeln gebildet haben."

Vor einem Jahr häufig aufgetreten seien Kreuzschnäbel – sie seien hingegen dieses Jahr nur spärlich anzutreffen. Die nordischen Gäste, Erlenzeisige, Bergfinken und Gimpel, sind laut Haas nun vermehrt – bis in den April hinein – auch an Futterstellen zu erwarten. Die wenigen dort brütenden Zeisige und Gimpel verteilten sich später im Wald und in naturnahen Gärten und fielen dann kaum mehr auf.

Auch ziehende Trupps suchten gerne Futterstellen auf, die als "Tankstellen" eine rasche Nahrungszufuhr garantieren – selbst Vögel stehen auf "Fast Food".

Doch ausgerechnet Futterstellen werden den Gästen mitunter zum Verhängnis. Ungefährlich sind laut Haas konventionell kleine Meisenknödel, kleine Futtersäckchen, Futtersäulen sowie Vogelhäuschen, an denen das Futter nur seitlich herausgepickt werden könne. Besonders für die nordischen Gäste gefährlich sind dagegen Futterstellen, an denen Vögel auf das ausgestreute Futter koten können, etwa in konventionellen Vogelhäuschen. Krankheitskeime, besonders Bakterien wie Salmonellen, Shigellen, Erreger der Vogeltuberkulose und andere, sowie Einzeller, etwa Trichomonaden, können zu massenhaften fatalen Infektionen führen, besonders bei höheren Temperaturen. "Manche Enteritiskeime überleben wenigstens Minustemperaturen nicht", sagt Haas. Die häufigen einheimischen Vögel – er nennt Sperlinge, Buchfinken, Meisen und ähnliche – hätten in der Regel schon Kontakt mit diesen Erregern und erkrankten seltener. Die nordischen Gäste dagegen fielen ihnen oft in großer Zahl zum Opfer.

In Albstadt sind laut Haas am Donnerstag, 6. März, schon Zeisige mit den typischen Krankheitssymptomen gesehen, ein schlimm erkrankter sogar aufgegriffen worden. Aber auch einzelne heimische Arten reagierten besonders empfindlich auf Enteritiserreger: zum Beispiel Grünlinge.

Über die Frage, wie stark häufige Infektionen an Futterstellen zum starken Rückgang dieser Art beigetragen haben, ließe sich nur spekulieren, weiß der Experte und schickt einen Appell an alle Tierfreunde: "Freuen wir uns weiter an den bunten Finken. Berücksichtigen wir sie sorgfältig, damit unsere Fürsorge ihnen nicht schadet." Wie? Durch penible Sauberkeit und Reinhalten der Futterstellen.

"In meinem Garten profitierten die Finken im vergangenen Jahr am meisten vom nicht gemähten Teil, mit spontan hochwachsenden Naturstauden, darunter prächtige Eselsdisteln bis zu zwei Metern Höhe", betont Haas. "Da ist der Gimpel dann auch das ganze Jahr über geblieben und zusätzlich haben unglaublich viele Tag- und Nachtfalter den Garten – und meine Lebensqualität – belebt.