Stolzer Vogel im Landeflug: Die Tage des Ebinger Gasthauses "Zur Schwane" sind gezählt – die spektakuläre historische Innenausstattung, zu der auch der Brennkessel auf der Empore gehört, wird künftig nicht mehr jedermann begutachten können. Foto: Kistner

Tradition geht nach 243 Jahren zu Ende. Familie Schmid hört auf. Kein Nachfolger in Sicht.

Albstadt-Ebingen - 243 Jahre lang hat die Familie Schmid das Ebinger Gasthaus "Zur Schwane" geführt. Jetzt geht die Tradition zu Ende. Am 30. Juni schließt Mark Schmid die "Schwane"; dass es einen Nachfolger geben wird, ist mehr als ungewiss.

Zehn Jahre lang war Mark Schmid "Schwanenwirt" – der gelernte Wirtschaftsingenieur war seinerzeit aus München nach Ebingen heimgekehrt und hatte den Betrieb übernommen, den sein schwer erkrankter Vater nicht länger zu führen vermochte. Werner Schmid hat das Ende nicht mehr erlebt; vor drei Jahren ist er 68-jährig gestorben.

Sein Sohn stand nun angesichts des beträchtlichen Sanierungsbedarfs vor der Wahl, sich mit – naturgemäß unsicherer – wirtschaftlicher Perspektive auf Jahrzehnte zu verschulden oder einen Schlussstrich zu ziehen und wieder in seinen früheren Beruf zurückzukehren. Er hat sich schweren Herzens für die zweite Option entschieden. Seine Mutter Bente Schmid setzt sich zur Ruhe; Beikoch und Küchenhilfe suchen einen neuen Dienstherrn. Für Ebingen bedeutet das, dass eine weitere Traditionsgaststätte mit deutscher Küche verschwindet – einen Nachfolger sucht Mark Schmid momentan nicht, denn das Problem des Sanierungsbedarfs bliebe ja auch im Falle einer Verpachtung bestehen. Was aus dem Haus wird, lässt er offen.

So oder so, mit Gaststube und Nebenzimmern der "Schwane" verliert Ebingen ein Ambiente, das problemlos als Außenstelle des Heimatmuseums hätte firmieren können. Auf der Empore im Nordzimmer thront – noch – der mächtige Kessel, in dem einst Schnaps gebrannt wurde, die Leinensäcke an der Wand stellen ein "Who ist who" der längst erloschenen Ebinger Brautradition dar –Hipp, Boss, Leibfritz und natürlich Schmid lauten die Namen. Das kostbarste Stück hängt hinter Glas an der Kellertür: Der Rupfensack mit der Aufschrift "JHS, Schwanenwirth in Ebingen, 1797" war vor Jahren auf einem norddeutschen Dachboden aufgetaucht; nach dem Kauf entdeckte Werner Schmid, dass alte russische Rubel eingenäht waren. Vermutlich hatte ein napoleonischer Soldat den Sack 1812 auf dem Russlandfeldzug als Kopfkissen und Bargeldtresor verwendet.

Ahnenreihe reicht zurück bis zur Reformation

Als der Sack bedruckt wurde, befand sich die "Schwane" seit 23 Jahren im Besitz der Familie Schmid – Johannes Schmid hatte sie 1774 erworben. Die Geschichte der Familie reicht allerdings noch viel weiter zurück; ihr ältester aktenkundiger Vertreter war Hans Schmid, Blaubeurener Honoratior und Zeitgenosse von Martin Luther. Gasthaus und Brauerei haben möglicherweise schon im 17. Jahrhundert existiert; der Braubetrieb wurde 1951 mangels Rentabilität eingestellt. 66 Jahre später folgt ihm nun die Gastronomie nach.