Gämsen lieben felsiges Gelände und Gebirge. Auch am Albtrauf haben sie eine Heimat gefunden. Foto: Marek Foto: Schwarzwälder-Bote

Artenschutz: Der Ornithologe Dieter Haas bricht eine Lanze fürs alpine Schalenwild

Albstadt/Meßstetten/Balingen. Die Forderung des Ökologischen Jagdverbands (ÖJV) Baden-Württemberg, die Gämsenpopulation im Naturschutzgebiet bei Tieringen und Lautlingen scharf zu bejagen und im Interesse des Artenreichtums der Albflora zu dezimieren, hat erwartungsgemäß kritische Reaktionen hervorgerufen – unter anderem vom Pfeffinger Ornithologen Dieter Haas, einem Kenner nicht nur der geflügelten Fauna.

In seiner Stellungnahme zur ÖJV-Forderung wirft Haas dem Verband Einseitigkeit bei seinem Einsatz für Biodiversität vor: Die forstwirtschaftliche Perspektive sei nicht die einzig maßgebliche, und der in der Tat "rasante Artenschwund" auch im Zollernalbkreis lasse sich allein durch die Jagd auf Schalenwild nicht angemessen bekämpfen.

Was Haas damit meint, führt er im folgenden aus. Hochwälder, genauer: "dicht zugewachsene Holzäcker", gebe es im Zollernalbkreis mehr denn je; was fehle seien "naturnahe, lichtdurchflutete Wälder", der natürliche Lebensraum für bestimmte Vogelarten. Als Folge davon seien Hasel- und Auerhuhn sowie der Ziegenmelker aus dem Zollernalbkreis verschwunden und Waldschnepfe, Mittelspecht, Trauerschnäpper, Waldlaubsänger und Gartenrotschwanz sehr selten geworden. Dies gelte auch für etliche Säugetier-, Reptilien-, Amphibien-, Schmetterlings- und Pflanzenarten. 25 Gämsen auf einer Wiese, das sei völlig natürlich: Rudelbildung, Bearbeitung des Biotops bei Tag durch Wildtiere – so müsse es sein. "Eine auf dem gleichen Bildausschnitt grasende Schafherde mit 300 Tieren gälte wohl auch beim ÖJV widerspruchslos als Naturschutzmaßnahme."

Womit Haas sagen will: Fressende Gämsen schaden nicht etwa der Artenvielfalt, sondern befördern sie, indem sie der Verwaldung entgegen wirken. Außerdem, betont er, verteilten sie Samen, die in ihrem Fell hängen blieben oder in ihren Kot gelangten, in der Landschaft und trügen dadurch zur großflächigen Verbreitung zahlreicher Blütenpflanzen bei. Das gelte übrigens auch für Rothirsche – "die letzten im Ländle nicht ausgerotteten großen Weidetiere, die aber im Zollernalbkreis durch ein Abschussprogramm naturwidrig ausgerottet bleiben".