Leihgabe für Colmar: Die "Kreuzabnahme" entstand im Jahr 1913. Foto: Schwarzwälder-Bote

Kunstmuseum: Fünf Albstädter Werke sind im Colmarer Museum Unterlinden zu sehen

Das Kunstmuseum Albstadt verleiht fünf seiner kostbaren Dix-Werke an ein Museum im benachbarten Ausland. Der Leihnehmer ist ein besonderer, der Anlass auch: Das Unterlinden-Museum in Colmar eröffnet heute seine erste Sonderausstellung nach dem großen Umbau.

Albstadt-Ebingen/Colmar. Dass das Kunstmuseum Arbeiten aus seinen Beständen verleiht, kommt regelmäßig vor; unter den diesjährigen Anlässen ragen zwei hervor – der eine wegen der großen Entfernung, der andere wegen der besonderen Dignität und Reputation des Leihnehmers. Die drei Tuschzeichnungen aus Otto Dix’ jungen Jahren, die in diesem Sommer in einer großen Dix-Retrospektive in Monterrey im Norden Mexikos zu sehen waren, sind mittlerweile wieder zu Hause; den Umzug der Sonderausstellung – an der das Goethe-Institut federführend beteiligt war – nach Mexico City haben sie aus konservatorischen Rücksichten nicht mitgemacht. Dafür haben dieser Tage fünf andere Werke von Otto Dix ihr Domizil im Kirchengraben verlassen. Der Adressat: das unlängst für 44 Millionen Euro umgestaltete Museum Unterlinden im elsässischen Colmar, die Heimstatt von Matthias Grünewalds weltberühmten Isenheimer Altar, einem der bedeutendsten Werke, die die deutsche Kunst hervorgebracht hat.

Wie kommen Albstädter "Dixe" nach Colmar? Dort eröffnet heute die Sonderausstellung "Otto Dix – le retable d’Issenheim", die erste nach dem Umbau. Der Isenheimer Altar hat Dix ein Leben lang beschäftigt, und die Albstädter Leihgaben bezeugen dies auf je eigene Art. Zugegeben, die offenbar in der Anatomie entstandene Skizze eines männlichen Leichnams aus dem Jahre 1912 zitiert eher Hans Holbeins toten Christus als die Predella des Isenheimer Altars, und eine Kreuzabnahme wie die auf der Dixschen Tuschzeichnung von 1913 gibt es in Grünewalds Bildprogramm auch nicht. Aber das Motiv der Kreuzigung ist im Dixschen Oeuvre ebenso vertreten wie der leidende Christus, und mit der Übernahme der Triptychon-Form und der altmeisterlichen Lasurtechnik in den 20er Jahren gab er deutlich zu erkennen, in wessen Spuren er wandelte. Das Kunstmuseum hat den Franzosen jenen Entwurf des Triptychons "Der Krieg" überlassen, das sie vor zwei Jahren sogar den Dresdnern, die das dazugehörige Gemälde besitzen, wegen Eigenbedarfs vorenthielten. Es hat ihnen zudem die beidseitig bearbeitete Holztafel mit den beiden Christusköpfen überlassen, die im Winter 2014/15 ebenfalls in der Albstädter Dix-Ausstellung zu sehen war. Das Museum Unterlinden war an ihr besonders interessiert: Die Bilder sind 1945 in der Gefangenschaft entstanden – in Colmar! Wenn das kein "Déjà vu" ist.

In Albstadt geblieben ist dagegen die Gouache "Abendsonne über Ypern", die nach Einschätzung der Kuratoren der Colmarer Ausstellung durch Grünewalds "Auferstehung" inspiriert sein könnte. Veronika Mertens, Direktorin des Kunstmuseum, kann das nachvollziehen – aber das Bild hat sie trotzdem nicht hergegeben: Die Restauratorin riet dringend davon ab; die "Abendsonne" soll nicht mehr reisen. "Wer sie sehen will, muss halt nach Albstadt kommen", sagt Mertens.

Das gilt auch für die anderen Freunde in Frankreich, die am Albstädter Dix Interesse bekundet haben. Die geplante Dix-Ausstellung in Chambéry hat noch nicht stattgefunden; sowohl den Albstädter als auch den Savoyarden fehlte die Zeit. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Als nächsten in Frage kommenden Termin hat man den Herbst 2018 ins Auge gefasst. Da jährt sich das Ende des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal.