Die Informatiker waren beeindruckt vom Empfangssaal des Sigmaringer Schlosses. Foto: Böhler Foto: Schwarzwälder-Bote

Wissenschaft: Digitale Forensik-Tagung zum ersten Mal in Deutschland – Hochschule Albstadt ist Gastgeber

Sie sind die Gerichtsmediziner der IT: Digitale Forensiker befassen sich mit der Auswertung von Computern und anderen elektronischen Beweismitteln. Zum ersten Mal in Deutschland fanden nun zwei ihrer weltweit wichtigsten Fachtagungen statt: an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen.

Sigmaringen. Spezialisten aus aller Welt haben sich zum ersten Mal in Deutschland versammelt, um die neuesten Entwicklungen und Probleme ihres Faches, der Digitalen Forensik, zu diskutieren. Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen fungierte als Gastgeberin der Tagungen DFRWS-EU und IMF. Untergebracht werden mussten die Gäste, die unter anderem aus den USA, China und Japan stammten, jedoch in Überlingen. Denn kein Hotel in Albstadt oder Sigmaringen hatte die Kapazitäten für alle Teilnehmer.

Zu einem Empfang mit Besichtigung kamen die Tagungsteilnehmer auf das Sigmaringer Schloss. Ingeborg Mühldorfer, die Rektorin der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, und Bürgermeister Thomas Schärer hießen die Informatiker im Empfangssaal des Sigmaringer Schlosses willkommen. Der Herr des Hauses, Karl Friedrich von Hohenzollern, hatte sich entschuldigen lassen.

Sich amüsiert und gestaunt haben die Gäste, als sie sich bei der Führung in fünf Gruppen durch die Räume der "belle etage" im ersten Stock des Schlosses bewegten. Kaum zu glauben: Eine Fürstin mit französischen Wurzeln hatte darauf bestanden, dass ihre Diener ihr zwecks Schalldämpfung jeden Abend ein Spitzendeckchen in den Nachttopf legten.

Nach der Tour ging es in die Stadthalle, wo ein Dinner-Vortrag von Peter van Koppen, der Rechtspsychologie an der Universität Amsterdam lehrt, stattfand. Unter dem provokanten Titel "They are coming do get you for a wrongful conviction" – Für ein Fehlurteil werden sie euch drankriegen – klärte er die IT-Spezialisten über die Gefahren von Voreingenommenheit bei der Auswertung strafrechtlich relevanter Beweismittel auf.

Da es sich bei den Beispielen, die van Koppen dazu heranzog, um Ermittlungen und Prozesse zu äußerst brutalen Gewaltverbrechen handelte, bei denen von Ermittlern und Justizbeamten fatale Fehlentscheidungen getroffen worden waren, ließ so mancher Tagungsteilnehmer zunächst das Besteck liegen. Van Koppen warnte seine Kollegen vor den Gefahren, die Voreingenommenheit bei kriminalistischen Ermittlungen, insbesondere der Auswertung digitaler Beweismittel, bärge. Er ermahnte sie, stets kritisch die eigenen Zwischenurteile zu hinterfragen. Denn wie seine Beispielfälle nahelegten, lägen die Dinge oftmals ganz anders, als sie auf den ersten Blick erschienen. Ein Fehler bei der Auswertung digitalen Beweismaterials könne mitunter schreckliche Folgen für das Leben eines fälschlich Verdächtigten haben.

Nach dem Vortrag begaben sich die Tagungsteilnehmer erleichtert ans Buffet. Und während des Dinners entwickelten sich an den Tischen in der Sigmaringer Stadthalle spannende Diskussionen zu van Koppens Fachvortrag und darüber hinaus. Daryl Pfeif, die eine Firma für digitale Forensik in Florida leitet, fasst ihre Tätigkeit so zusammen: "Als digitale Forensiker sind wir die Neurochirurgen der Justiz. Es ist besser, Sie brauchen gar keinen. Aber wenn Sie doch mal einen brauchen, dann wollen Sie einen, der seine Kunst perfekt beherrscht."

Unter Verdacht: ein wirklich verrückter Professor

Zum Abschluss des Abends gab es ein Forensik-Rodeo, einen spielerischen Wettbewerb. Dabei sollten die Teilnehmer eine "Kopie der Festplatte eines verrückten Professors" auf alles mögliche analysieren: verwendete Software, angeschlossene Hardware, Programme im Autostart und besuchte Internetseiten. Daraus können digitale Forensiker in der Praxis wichtige Erkenntnisse für Ermittlungen in hochbrisanten Kriminalfällen gewinnen. Was dem Opfer des verrückten Professors zum Verhängnis wurde, konnten die Teilnehmer aber vor Schluss des knappen Zeitlimits nicht mehr ermitteln.