Entscheidungen der Stadtverwaltung und des Gemeinderates zu goutieren, fällt nicht immer

Entscheidungen der Stadtverwaltung und des Gemeinderates zu goutieren, fällt nicht immer leicht. Noch seltener sind sie geeignet, echte Freude auszulösen. Auf die Entscheidung über die Nachfolge von Galerie-Direktorin Marina Sauer jedoch trifft das zu, nicht nur, weil Veronika Mertens das Museum kennt wie wohl niemand sonst, sondern weil es bei ihr – das hat sie in den vergangenen Jahren noch mehr als zuvor bewiesen – in denkbar besten Händen ist.

Wer glaubt, die Arbeit in der Galerie Albstadt beschränke sich darauf, alle paar Monate andere Kunstwerke zu rahmen und aufzuhängen, ein wenig die Werbetrommel zu rühren und ab und an eine Führung zu leiten, fehlt weit. Rund 24 000 Arbeiten auf Papier und zirka 250 Gemälde lagern im 1975 gegründeten Haus, das eine der größten und bedeutendsten grafischen Sammlungen der Republik besitzt. Sie zu bewahren und in immer neuen Zusammenhängen zu präsentieren, die den Horizont eines Publikums vom Schüler bis zum Senior erweitern, Leihgaben zu beschaffen und eigene zu verschicken, Werke aus Schenkungen einzufügen, Künstler für Aktionen zu gewinnen, begleitende Programme aufzustellen und Veranstaltungen im Haus zu organisieren – all das beschreibt ebenfalls nicht zureichend, was das Team der Galerie leistet.

Hinzu kommt die wissenschaftliche Arbeit, die Veronika Mertens und ihren Kollegen ebenfalls nicht ausgeht. Das "Kriegsnotizbuch" des Künstlers Otto Dix, bei dessen Anblick Kunsthistoriker aus aller Welt feuchte Augen bekommen, komplett zu entziffern und damit für die Forschung über einen der wichtigsten deutschen Grafiker nutzbar zu machen, ist nur eines der nicht gerade einfachen Projekte, die Veronika Mertens sich vorgenommen hat.

Der promovierten Kunsthistorikerin, die nach Stationen an der Stuttgarter Staatsgalerie und im Villinger Franziskanermuseum vor 18 Jahren an die Galerie Albstadt kam, ist es ein Herzensanliegen, das Fundament jenes Gebäudes zu pflegen, dessen Fassade die Ausstellungen sind. Zu den abgehobenen Theoretikern, die es in dieser Branche zuhauf gibt, gehört Mertens dennoch nicht – ganz im Gegenteil: Ihr Ziel ist es, Kunst so zu vermitteln, dass Berührungsängste gar nicht erst aufkommen und es möglichst vielen gelingt, den eigentlichen Wert von Kunst zu erfahren: dass sie den Menschen erst zum Menschen macht, ihn dazu bringt, sich selbst und seine Welt zu reflektieren und mal mit anderen Augen zu sehen. Deshalb ist ihr die Bezeichnung "Kuratorin" stets die liebste gewesen, wie sie unserer Zeitung einmal verraten hat: "Curare – das heißt: Sorge tragen."

Veronika Mertens trägt Sorge für die Galerie Albstadt, und zwar gänzlich ohne eigene Eitelkeit. Wer sie bei Führungen erlebt, merkt schnell, dass sie trotz ihres enorm reichen Wissensschatzes um ihre eigene Person kein Aufhebens macht. Während der Finanzkrise hat sie die Kürzung ihrer Arbeitszeit klaglos akzeptiert – und dennoch so gut gearbeitet, dass die Außenwirkung des Hauses nicht darunter leiden musste. Dass Veronika Mertens nun mit dem Posten der Direktorin belohnt wird, hat die gebürtige Münsterländerin, die in punkto Fleiß eine echte Älblerin ist, mehr als verdient.

Was hätten Walther und Lore Groz, deren Sammlung die Basis der Galerie Albstadt ist, wohl zu dieser Personalentscheidung gesagt? Beide sind seit langem tot, doch dass sie sich gefreut hätten, steht außer Frage. Schließlich ist ihr Schatz bei Veronika Mertens in denkbar besten Händen, liegt ihr spürbar am Herzen: der sorgenden, schaffigen, kreativen, klugen Kuratorin.