Sigrid Meller ist stolz auf ihre Schüler. Foto: Kerst Foto: Schwarzwälder-Bote

Schüler lesen Texte berühmter Legastheniker im Lernforum Brandelik

Von Ann-Kathrin Kerst

Albstadt-Ebingen. Die Literaturwoche Albstadt läuft unter dem Motto "ungewohnt – unbewohnt". Dazu passt auch die Aufführung "Buchstäblich schwierig – Schüler lesen Texte berühmter Legastheniker" im Lernforum Brandelik.

Lese-Rechtschreib-Schwäche ist kein Schicksal. Das haben Schüler mit einer Lesung aus Werken berühmter Legastheniker unter dem Motto "Buchstäblich schwierig – Schüler lesen Texte berühmter Legastheniker" gezeigt, die am Donnerstag viele Besucher ins Lernforum Brandelik lockte.

Das Lernforum hat sich auf eine Lerntherapie für Kinder mit Rechenschwäche und Lese-Rechtschreibschwäche spezialisiert. Die Idee, bei der Literaturwoche mitzumachen, kam Sigrid Meller, der Pädagogischen Leiterin des Lernforums, ganz spontan. "Die Aufführung passt ja auch zum Motto", sagt sie. So drängen sich nun Kinder und Erwachsene in den Räumen des Lernforums. Alle wollen sie den Kindern lauschen, die aus Texten berühmter Legasthenikern vorlesen. Das besondere an der Veranstaltung: Die Vorleser selbst haben eine Lese-Rechtschreibschwäche und erhalten im Lernforum Brandelik Nachhilfe.

Die erste Lesung ist ein Ausschnitt aus dem Märchen "Das hässliche Entlein" von Hans Christian Andersen. Der Schüler Eric Schmidt liest die Passage, in der das Entlein erkennt, dass es eigentlich gar keine Ente ist, und schon gar keine hässliche, sondern ein schöner Schwan. Und das, obwohl die anderen Enten das junge Tier mobben, wie Sigrid Meller schmunzelnd sagt.

Selbst die Krimi-Königin hat sich schwer getan

Was folgt sind Passagen aus Kinderbüchern, Biografien und Dokumentationen, und während die Kinder lesen, sind die Zuhörer oft erstaunt, welche Berühmtheiten unter der Lese-Rechtschreibschwäche leiden oder litten: Fernsehkoch Jamie Oliver etwa, Erin Brockovich, die nach dem Erfolg des Films über ihr Leben mit Julia Roberts in der Hauptrolle auch eine Autobiografie geschrieben hat. Ja, selbst Agatha Christie war Legasthenikerin.

"Es ist zwar erstaunlich, aber nicht ungewöhnlich, dass Legastheniker ein Buch schreiben", erklärt Meller. "Zum Beispiel der Kinderbuchautor Tim Thilo Fellmer. Er hat im Erwachsenenalter gemerkt, dass Bücher ihn bereichern, obwohl er als Analphabet die Schule verlassen hat." Dann habe er den Ehrgeiz entwickelt, ein eigenes Buch zu verfassen – und es schließlich auch geschafft.

Den mutigen Vorlesern winkt zwar keine Buchveröffentlichung, eine Belohnung gab es aber trotzdem: einen Badkap-Gutschein – und viel Applaus für ihre tolle Leistung.