Erst vor Kurzem ist das Urteil gefallen. Foto: Kistner

Strafprozess: Amtsgericht Albstadt begründet Festnahme mit Fluchtgefahr. Polizei nimmt ihn in Gewahrsam.

Albstadt-Truchtelfingen - Der 53-jährige "Reichsbürger" aus Albstadt, der vor 13 Tagen vom Amtsgericht Albstadt zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt wurde, ist in Haft, obwohl das Urteil noch keine Rechtskraft erlangt hat.

Der 53-Jährige war am frühen Morgen des vergangenen Donnerstags, 11. August, von Beamten der in Göppingen stationierten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BSE) der Polizei geweckt worden: Die Beamten, die zuvor die Straße an beiden Enden abgeriegelt hatten, klingelten und verlangten Einlass; als der "Reichsbürger" sich weigerte zu öffnen, verschafften sie sich gewaltsam Zugang zur Wohnung – "gewaltige Schläge", lautet ein Zeugenkommentar – und nahmen ihn in Gewahrsam.

Die Polizeieinheit kennt er schon persönlich

Die BSE ist dem 53-Jährigen gut bekannt; er hat bereits am ersten Verhandlungstag seines Prozesses Bekanntschaft mit ihr gemacht, als er sich weigerte, auf der Anklagebank Platz zu nehmen, und Anstalten machte, den Gerichtssaal zu verlassen. Die Justiz ist in einem solchen Fall befugt, ihren Aufforderungen und den Maßregeln der Prozessordnung Nachdruck zu verleihen, und das tat sie auch. Das Ende vom Lied war, dass der Angeklagte mit Infusionsnadel im Alm aus dem Gerichtssaal getragen und ins Krankenhaus gebracht wurde.

Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft. Weshalb? Als Grund für die Festnahme nannte der Albstädter Amtsrichter Bernd Koch gestern gegenüber dem Schwarzwälder Boten Fluchtgefahr nach erstinstanzlicher Verurteilung: Schon während der Verhandlung habe der Angeklagter die Neigung erkennen lassen, sich "dem Verfahren zu entziehen": Am zweiten und dritten Verhandlungstag sei er nicht erschienen; sein Fortbleiben haben er mit – ärztlich attestierten – Gesundheitsbeschwerden begründet. Allerdings nahm das Gericht ihm diese Beschwerden nicht ab, unter anderem deshalb, weil der Angeklagte die Atteste persönlich überreicht und dabei keinen sonderlich kranken Eindruck gemacht habe.

Außerdem versuchte er just an einem Tag, an dem er eigentlich selbst vor Gericht hätte erscheinen sollen, beim Sigmaringer "Reichsbürgerprozess" in den bereits vollen Gerichtssaal zu gelangen – die Sigmaringer setzten das Amtsgericht Albstadt davon in Kenntnis.

Das Netzwerk könnte ihm helfen

Staatsanwaltschaft und Gericht schließen nicht aus, dass der Angeklagte angesichts der drohenden Haftstrafe versucht sein könnte, sich dieser durch Flucht zu entziehen – und dass seine Beziehungen innerhalb des Netzwerks der Reichsbürger ihm das Untertauchen leichter machen könnten als Straftätern, die auf Privatkontakte verwiesen seien.

Deshalb die Untersuchungshaft – ob der Anwalt des 53-Jährigen dagegen Beschwerde eingelegt hat, war gestern nicht zu erfahren.

Falls ja, wäre diese von der Beschwerdekammer am Landgericht Hechingen zu prüfen, falls nein, bliebe er in Haft, bis diese aufgehoben wird. Das am 10. August verhängte Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil die Verteidigung Berufung eingelegt hat. Wann erneut verhandelt wird – Instanz ist die Kleine Strafkammer des Landgerichts Hechingen –, das steht noch in den Sternen.