Die Tübinger "Compagnia Vocalis" beschert ihrem Ebinger Publikum eine Sternstunde der Kirchenmusik

Von Sabine Miller

Albstadt-Ebingen Die Passionszeit eingeläutet hat das Tübinger Vokalensemble "Compagnia Vocalis" mit einem Konzert in der Martinskirche. Auf dem Programm stand A-Cappella-Gesang von Palestrina, Heinrich Schütz, Anton Bruckner und anderen Komponisten.

Die "Compagnia Vocalis" gibt es noch nicht lange – erst Mitte des vergangenen Jahres haben sich ihre Mitglieder spontan zusammengeschlossen. So jung wie das Ensemble sind mit einem Durchschnittsalter von 20 Jahren auch die jungen Sänger – umso erstaunter und beeindruckter war das Publikum in der Martinskirche zum Auftakt von dem geschlossenen Gesamtklang und der Transparenz, emotionalen Tiefe und Ernsthaftigkeit des Ausdrucks, mit der die "Compagnia" Albert Beckers schlichtes "Herr, erbarme dich" wiedergab.

In wechselnder Form und Gestalt beschwor der Chor danach immer wieder die Macht des musikalischen Gebetes: vielschichtig in Giovanni Pierluigi Palestrinas "Sicut cervus", kontemplativ im ebenmäßig fließenden "Super flumina babylonis" von Orlando di Lasso und sehr verinnerlicht in Anton Bruckners "Vexilla regis".

Tore zur unmittelbaren spirituellen Erfahrung öffnete die Improvisation über den Crüger-Choral "Ach mein Herr Jesu, wenn ich dich nicht hätte"; das Strömen, Vibrieren und Pulsieren der Männer- und Frauenstimmen, das sich zum Ende hin kaum mehr lokalisieren ließ, weckte mit seinen Schwingungen Assoziationen an eine Klangschalenmeditation. Anspruch und Ziel der "Compagnia Vocalis" ist es, Chorwerke aus verschiedenen Epochen in außergewöhnliche Programmkonzeptionen einzufügen.

Die des Konzerts in der Martinskirche hielt sich an Geist und Ablauf der Passion, von der Buße bis zur Auferstehung. Das Rad der Musikgeschichte wurde dabei mal nur wenig, mal sehr weit zurückgedreht, bis hin zu Josquin Desprez, einem Renaissancemeister der von 1440 bis 1521 lebte.

Wie um das Thema des zweiten Programmteils, den Kreuzestod Christ, dramaturgisch zu akzentuieren, versammelten sich die Sänger und Sängerinnen weit hinter dem Altar und gingen auf Distanz zum Hörer. Dieses Spiel zog sich durch das komplette Konzert; je nach Standort des Einzelnen und der Gruppe ergaben sich unterschiedliche Klangbilder und Klangvolumina – zumindest in der Wahrnehmung der durchaus zahlreichen Zuhörer. Im Halbrund aufgestellt, intonierte das Ensemble eine Tonschöpfung des Zeitgenossen James McMillan von sehr individuellem Charakter, danach erneut Albert Becker, diesmal mit dem Chorsatz "Ich bin die Auferstehung".

Nach dem letzten Stück herrschte zunächst andächtige Stille in der Martinskirche – ein Zeugnis des Angerührtseins und somit ein großes Kompliment für die "Compagnia Vocalis". Die jungen Sänger haben den Ebingern eine Sternstunde der Kirchenmusik beschert.