Seit über drei Jahrzehnten erstattet Rainer Lopau alljährlich den Mitgliedern der Fachvereinigung Wirkerei-Strickerei Bericht über die Lage der Branche. Jetzt gibt er den Posten des Geschäftsführers ab – sein gestriger Bericht war wohl sein letzter. Fotos: Kistner Foto: Schwarzwälder-Bote

Fachvereinigung Wirkerei-Strickerei: Rainer Lopau gibt sich dennoch zuversichtlich

Von Martin Kistner

Zuversichtlich hat gestern Rainer Lopau, Geschäftsführer der Fachvereinigung Wirkerei-Strickerei Albstadt, bei deren Mitgliederversammlung die Aussichten der heimischen Textilindustrie im laufenden und kommenden Jahr beurteilt.

Rainer Lopau ist Hanseat, und Euphorie war nie seine Sache, wenn er der Branche den Puls fühlte: Zufriedenheit muss genügen und verhaltener Optimismus, vorausgesetzt, die Situation ist danach. 2016 ist sie es: 1,2 Prozent betrug der Umsatzzuwachs im vergangenen Jahr, bei der Wäsche waren es sogar 1,6 Prozent – damit kann man leben. Die Zahl der textilen Arbeitsplätze im Arbeitsagenturbezirk Balingen sind leicht von 3580 auf 3523 gesunken; Lopaus eigene Statistik fällt günstiger aus, unter anderem, weil die Fachvereinigung, anders als die Agentur, auch Bodelshausen berücksichtigen darf, wo das Schwergewicht Marc Cain sitzt. Besondere Freude bereiten Rainer Lopau die Technischen Textilien, bei denen der Umsatz um 2 Prozent stieg. Textile Brücken, Flugzeugaußenhäute, Medizintechnik – dafür ganz sich Lopau begeistern. "Ein Stück Stoff ermöglicht es uns, der Lunge beim Atmen zuzusehen" – auch technische Neuerungen wie diese verbucht er bei seiner Bestandsaufnahme auf der Habenseite.

Es gibt aber auch eine Sollseite. Seit 35 Jahren ist Lopau Geschäftsführer der Fachvereinigung; in dieser Zeit schrumpfte die Zahl der Arbeitsplätze, welche die Textilindustrie in der Region anbietet, auf ein Neuntel. Lopau betont freilich, dass diese Arbeitsplätze nicht verloren gegangen, sondern nach Südeuropa abgewandert seien und dort bescheidenen Wohlstand geschaffen hätten – nicht jeden wird das trösten. Indes besteht Lopau darauf, dass es erlaubt sein müsse, lohnintensivere Fertigungen an kostengünstigere Standorte mit niedrigen Mindestlöhnen zu verlagern. "Das ist nicht verwerflich!" Auch im Falle für hochwertiger Produkte nicht – auch auf diesem Markt, so Lopau, herrsche Wettbewerb. Und wenn man darauf hinwirkte, die Löhne in den Niedriglohnländern anzuheben? Es sei erlaubt, auf die Eigendynamik der Lohnentwicklung in den Schwellenländern zu hoffen, aber vor dem Missionieren müsse man sich hüten. "Es kann nicht unsere Aufgabe sein, in die Regelungen anderer Länder einzugreifen."

Sorge bereitet Lopau der Strukturwandel im Handel – das Internet nehme den großen Warenhäusern und dem Einzelhandel immer mehr Marktanteile ab – "die werden aufgemischt" – , und in den Innenstädten dominiere die Monokultur der internationalen Ketten. "Beängstigend ist das schon – und Antworten habe ich auch keine." Schwarz sieht Rainer Lopau trotzdem nicht – und auch der Brexit bereitet ihm keine schlaflosen Nächte: "Die Auswirkungen auf die Textilindustrie werden sich in Grenzen halten."

England beschäftigt Lopau also momentan nicht. Italien schon eher – am Samstag ist EM-Viertelfinale. Sollten die Azzurri gewinnen, dann hätte zumindest einer, der gestern im Forum der Zollernalbhalle dabei war, Grund zur Freude: Heinrich del Core, der schwäbisch-italienische Comedian aus Rottweil. Bei der Fachvereinigung Wirkerei-Strickerei ist er mittlerweile Stammgast.