Oberbürgermeister Jürgen Gneveckow und Maire Michel Dantin machen ein vertragstechnisches Tauschgeschäft: Künftig wollen ihre beiden Städte auch Wissen austauschen. Foto: Kistner Foto: Schwarzwälder-Bote

Neues Partnerschaftsabkommen soll Kooperation der Stadtverwaltungen beflügeln

Von Martin Kistner

Albstadt. Die Stadtoberhäupter von Albstadt und Chambéry haben während des jüngsten Partnerschaftstreffens eine "Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit" unterzeichnet, von der sie sich neue Impulse für die Städtepartnerschaft erhoffen. Jetzt steht die "Ratifikation" an.

Festreden mit wohlgesetzten Worten und mehr oder weniger geglückten Übersetzungen in die jeweils andere Sprache, dazu Häppchen und Sekt gehören seit jeher zum Ritual der Rathausempfänge, ohne die ein Partnerschaftstreffen kein Partnerschaftstreffen wäre. Unterschriften unter ein offizielles Dokument hat es jedoch nicht mehr gegeben, seit Hans Pfarr und Francis Ampe 1979 die Partnerschaftsurkunde signierten.

Die Anregung zu einer Neuauflage kam aus Frankreich – was nicht verwundern sollte; die Franzosen haben von Haus mehr Sinn fürs Formelle – genauer: vom neuen Bürgermeister Michel Dantin, der nicht nur Maire von Chambéry, sondern auch Europaparlmentsabgeordneter ist und einer "Jumelage" offenbar mehr abzugewinnen weiß als seine Amtskollegen ohne Sitz in Straßburg. Ihm schwebt eine Zusammenarbeit zwischen den Stadtverwaltungen vor, wie sie bis dato nicht existierte.

Wie diese aussehen soll, steht im Vertrag respektive der Rahmenvereinbarung, die der Albstädter Gemeinderat am kommenden Donnerstag und der "conseil municipal" von Chambéry am 4. November absegnen sollen. Von Interesse, weil vergleichsweise substanzhaltig ist vor allem der Artikel 2, der "gemeinsame Handlungsschwerpunkte" aufführt: Austausch im schulischen und universitären Bereich sowie im Rahmen der beruflichen Weiterbildung, Zusammenarbeit im Kultur- und Sportbereich, touristische Angebote, "nachhaltige Entwicklung", wirtschaftliche Zusammenarbeit und Unterstützung von Projekten in Entwicklungsländern.

Mit dem letzten Punkt ist das gemeinsame Engagement in Bisoro im ostafrikanischen Kleinstaat Burundi gemeint. Dort ist in den vergangenen Jahren einiges erreicht worden; es stehen ehrgeizige Projekte im Raum, die Devise dürfte "Weiter so!" lauten.

Im Bereich der Schul- und Vereinskontakte wäre diese Devise völlig verfehlt; hier muss reanimiert werden: Mit Ausnahme des Progymnasiums Tailfingen haben die Schule früher bestehende Kontakte größtenteils sanft einschlafen lassen; an Albstädter Vereinen, die noch Kontakte zu Gleichgesinnten in Chambéry pflegen, wären der Deutsche Alpenverein, der TSV Ebingen und die Donauschwaben zu nennen – letztere können zwar mittlerweile keine Tänzer mehr aufbieten, um sich für die Volkstanzauftritte der Freunde von "La Savoie" zu revanchieren, aber die Funktionärsriege hält die Fahne der Partnerschaft hoch. Ansonsten herrscht Stille im Walde.

Neuland betreten Albstadt und Chambéry mit der Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene. Aber wie hat man sich die vorzustellen? Drei Punkte wurden beim Festakt in Chambéry angesprochen – Wirtschaft, Finanzen und Tourismus – und es hieß, man wolle voneinander lernen.

Beim Tourismus sollte man annehmen, dass Chambéry der Lehrmeister und Albstadt der Lehrling ist, aber wie man hört, ist das nicht ganz so: Chambéry ist Tagungsteilnehmern ein Begriff und im übrigen Wegstation auf der Reise in die Alpen oder in den Süden – mit Pfunden wie dem kulturellen Angebot und der grandiosen Natur in nächster Nähe hat man bisher eher zurückhaltend gewuchert; beim digitalen Marketing scheint Albstadt laut Tourismusamtschef Martin Roscher sogar die Nase vorne zu haben.

Zu den Finanzen lässt sich soviel sagen: Chambéry ächzt unter einer schweren Schuldenlast.

Und die Wirtschaft? Da haben Franzosen und Deutsche traditionell sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Rolle der Politik – es fragt sich schon, wer hier was von wem lernen will. Man wird sehen, welche Antworten die Stadt darauf am Donnerstag parat hat.