Alfred Müller (stehend) arbeitet an Alternativplänen zur Südtrasse. Katharina Maier (rechts) fragte ihn: "Warum hat sich 20 Jahre lang niemand zu Wort gemeldet?" Foto: Eyrich

Diskussion um Ortsumfahrung Lautlingen dominiert Abend zum Thema Infrastruktur.

Albstadt-Lautlingen - Dass Marc Söhn Recht zu haben scheint mit seiner Befürchtung – "Der Keil hier in Lautlingen wird immer weiter rein getrieben" – stellte gestern in der "Albwerkstadt" der CDU wohl nicht nur Moderatorin Katharina Maier fest.

"Was tun wir jetzt?", fragte Moderatorin Katharina Maier nach zwei Stunden Diskussion in der "Albwerkstadt" der CDU Albstadt angesichts des hitzigen Hin und Her im Vereinsheim der Gartenfreunde. Dort sollte es zwar um Infrastruktur im Allgemeinen gehen, doch schon zu Beginn hatte CDU-Stadtverbandschef Roland Tralmer richtig vermutet, dass die Diskussion um die Ortsumfahrung das beherrschende Thema sein würde.

"Was wollen Sie?", fragte Thomas Schmid, Sprecher der Interessengemeinschaft der Anwohner der Ortsdurchfahrt, sein Pendant der Bürgerinitiative "Für Lautlingen – Gemeinsam für die beste Lösung" (BI), Helmut Müller, zu Beginn. Müller: "Wir sind dabei, andere Möglichkeiten einer Lösung des Verkehrsprojekts zu suchen und zu prüfen." Letzteres solle im Regierungspräsidium Tübingen (RP) geschehen, hofft er.

Schmid forderte ihn auf, konkret zu benennen, wie viel Landschaft zum Bau der Südtrasse verbraucht werde, anstatt einfach nur von "immensem" Landschaftsverbrauch zu sprechen. Schmid: "Es sind 19 Hektar." Müller: "Wir haben die Pläne ausgehängt – das sagt mehr als Zahlen."

Bernhard Freund schaltete sich ein: "Guck’ mal vom Berg aus – die Bundesstraße 463 sieht man kaum. Dann wird das begrünt und es gibt Erdwälle und Schallschutz." Müller beharrte auf seiner mehrfach geäußerten Meinung, dass eine Neuplanung – eventuell mit Tunnel – das Projekt nicht um Jahrzehnte verzögern würde. "Was in der Zeitung steht, ist Quatsch", kommentierte er entsprechende Aussagen des RP und anderer Beteiligter. "Ein rechter Straßenplaner plant das in einem halben Jahr."

CDU-Bundestagsabgeordneter Thomas Bareiß widersprach: "Es dauert so lange, weil man so viele anhören muss. Wenn Sie etwas anderes wollen, stehen wir wieder bei Null und brauchen wieder 25 bis 30 Jahre. Ich kenne keinen Fall, in dem eine komplette Neuplanung in drei, vier, fünf Jahren durchging." Er selbst, 2005 in den Deutschen Bundestag gewählt, bekomme seit elf Jahren Druck aus Albstadt, das Projekt voranzubringen. Seit 1996 stehe fest, dass die Südumfahrung die zu verfolgende Variante sei, doch niemand habe sich zu Wort gemeldet.

Bareiß: "Das Argument ist oft vorgeschoben"

Dass Landschaftsverbrauch ein heikles Thema sei, sei ihm klar, so Bareiß, "aber oft ist das Argument vorgeschoben. Heute wird alles Mögliche getan, um Mensch, Natur und Umwelt zu schützen und Lärm abzufangen". Zudem seien die Auflagen für Ausgleichsmaßnahmen streng, vor allem in Baden-Württemberg.

Bareiß mahnte, dass das für die Lautlinger Südtrasse benötigte Geld anderswo gerne genommen werde: "Das ist ein Spiel, das sehr, sehr gefährlich sein kann. Es muss Ihnen klar sein, was das für die Entwicklung des Ortes bedeutet."

Zwei Mal fragte Katharina Maier, warum 20 Jahre lang kein Gegenwind gekommen sei, bis Alfred Müller konkret antwortete: "Jeder hat gedacht: Das kommt sowieso nie." Er beklagte, dass im RP nie eine andere Variante geprüft worden sei, und rief aus: "Wir kriegen dann eine Straße 70 Meter vor dem Haus." Die Anwohner der Ortsdurchfahrt antworteten im Chor: "Wir haben sie zwei Meter vor dem Haus." Michael Brommler wurde deutlicher: "Wir haben täglich den Super-Gau auf der Straße. Und wenn ich nach Meßstetten hoch will, muss ich erst nach Laufen fahren und dort wenden."

Ein Plan sei schnell erstellt, kommentierte Stefan Buhmann Alfred Müllers Argument, mit entsprechendem Druck ließen sich die Vorgänge beschleunigen. "Aber wenn es so schnell ginge, würden wir nicht von Rottweil bis Tübingen durch Ortschaften gurken." Bareiß habe verdeutlicht, dass Albstadt Druck gemacht habe. "Man sollte zu Beschlüssen, die getroffen worden sind, stehen." Thomas Schmid forderte Alfred Müller auf, ihm eine rechtsverbindliche Auskunft des RP vorzulegen, "dass Dein Plan binnen zehn Jahren umgesetzt wird".

Baldauf: "Wir müssen jetzt etwas tun"

Barbara Koch, die einräumte, dass es ihr nicht nur um Landschaftsverbrauch gehe, sondern dass sie von der Südtrasse betroffen sei, versuchte zu schlichten: Sie verstehe nicht, warum man nicht mit Flüsterasphalt und anderen Maßnahmen schon etwas für die Anwohner getan habe. Auch Olaf Baldauf goss Öl auf die Wogen und befürwortete eine neue Prüfung, "ob wir die bestehende Trasse in den Boden kriegen", betonte aber auch: "Wir müssen jetzt etwas tun. Wenn man um 4 Uhr aus dem Bett fällt und jedes Jahr das Haus neu streichen muss, wenn man sich Sorgen macht, auf dem Gehweg zu laufen, und jedes Mal ein Hupkonzert ertönt, weil man jemanden einfädeln lässt", dann sei das kein Zustand.

Bareiß gab zu bedenken, dass ein Tunnel auch nicht ohne Eingriffe in die Landschaft möglich sei, und hohe Folgekosten verursache: "Pro Kilometer und Jahr eine Million Euro." Daher werde es immer schwieriger, Tunnel durchzusetzen. Maßnahmen wie Nachbesserung beim Lärmschutz seien möglich ohne Zeitverlust, eine Umplanung aber nicht: "Eine Straße bauen – das ist mehr als den Plan zu machen. Da geht es um gewisse Rechtsabläufe." Und die Zeit dafür habe Lautlingen nicht: "Lärm- und Feinstaubbelastung an der Ortsdurchfahrt sind enorm."

Beate Geyer fragte nach dem Lärmaktionsplan der Stadt. Diesbezüglich mache die CDU-Fraktion Druck, betonte Tralmer, deren Vorsitzender. "Wir wollen, dass alle denkbaren Maßnahmen umgesetzt werden."

Thomas Schmid verwies auf eine Aussage von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dass ihm Instandhaltung vor Straßenneubau gehe. Deshalb gelte es, keine Zeit zu verlieren. Zudem sei es "plakativ und unrichtig", zu behaupten, dass die Südtrasse das Lärmproblem eins zu eins nach außen verlagere – davon könne sich jeder am neuen Lärmschutzwall in Weilstetten überzeugen.

Der Abend endete nach Marcs Söhns Befürchtung, dass "der Keil hier in Lautlingen immer weiter reingetrieben" und Lautlingen "zum Gespött" werde – und mehreren Aufrufen zur Besonnenheit in der Diskussion, unter anderem von Roland Schemminger und der Moderatorin: "Sie leben in einem kleinen Ort, Sie sehen sich jede Woche", sagte Katharina Maier. "Da will man doch nicht den Gehsteig wechseln."