Klaus Konzelmann, Preisträgerin Kerstin Franke-Gneuß, Veronika Mertens, Jeannette Brabenetz und Wolfgang Schad (von links) bei der Verleihung des Felix-Hollenberg-Preises. Foto: Eyrich Foto: Schwarzwälder-Bote

Felix-Hollenberg-Preis: Kerstin Franke-Gneuß nimmt im Kunstmuseum Albstadt hohe Würdigung entgegen – und stellt aus

"Ihre Radierungen fesseln und bewegen derart, dass man nur mit einem ganz zeitgenössischen Blick darauf verweilen kann", sagt Kuratorin Jeannette Brabenetz über das Werk von Kerstin Franke-Gneuß. Sie hat gestern den neunten Felix-Hollenberg-Preis erhalten – aus genau diesem Grund.

Albstadt-Ebingen. Er ist einer der wichtigsten Preise für Druckkgrafik, den die von Erika Schad-Hollenberg gegründete Felix-Hollenberg-Stiftung seit 1991 vergibt. Dass die Tochter des Künstlers das Kunstmuseum der Stadt Albstadt ausgewählt hat, um das Andenken an Felix Hollenberg (1868 bis 1945), "einen der wichtigsten Widerentdecker der Original-Radierung als künstlerisches Medium am Ende des 19. Jahrhunderts", zu bewahren, freute nicht nur Veronika Mertens, Direktorin des Kunstmuseums, die gestern zusammen mit Oberbürgermeister Klaus Konzelmann, Kuratorin Jeannette Brabenetz und Wolfgang Schad, dem Enkel Felix Hollenbergs, den neunten Preis der Stiftung an Kerstin Franke-Gneuß übergeben hat.

Seit Albrecht Dürer werde die Tiefdrucktechnik der Radierung verwendet, berichtete Veronika Mertens, und "wohl nicht zufällig" habe Walther Groz, dessen Sammlung das Kunstmuseum Albstadt begründet hat, Dürers Eisenradierung "Die große Kanone" von 1515 gekauft. Unter Rembrandt noch ein Höhepunkt in der Geschichte der Kunst, sei die Radierung später zur Reproduktionstechnik geworden – bis Felix Hollenberg sie als "eigenes Medium künstlerischen Ausdrucks" wiederentdeckt habe.

Mit der gebürtigen Meißenerin Kerstin Franke-Gneuß habe sich die Jury des Felix-Hollenberg-Preises auf eine Kandidatin geeignet, "die sich seit 30 Jahren mit der Radierung, ihrem ureigenen künstlerinschen Medium, beschäftigt", begründete Klaus Konzelmann die Wahl: "In langjähriger Auseinandersetzung mit der Technik hat sie es zu einer großen Meisterschaft in der Radierung gebracht. Aus der Landschaft kommend, entwickelt sie daraus eine gestisch-abstrakte Formensprache und gräbt ausdrucksvolle Linien ins Metall – Linien, die sich zwischen Schönheit und plötzlicher Zerstörung bewegen." Wie Hollenberg, habe sie sich mit großer Leidenschaft der Radierung verschrieben, und ihre Werke verliehen im Kontext des Hauses dem Schwerpunkt der Kunst aus Dresden einen neuen Akzent.

Werke, von denen das Kunstmuseum – dank der Stiftung – einige ankaufen wird, wie Mertens verriet. 86 von ihnen, darunter das titelgebende "Gratwanderung", sind bis 29. Januar im Kunstmuseum in einer Ausstellung zu sehen, in der es keineswegs um das Abbilden und Darstellen topografischer Landstriche oder bestimmter Orte gehe, wie Kuratorin Jeannette Brabenetz betonte. Tatsächlich seien die Radierungen von Kerstin Franke-Gneuß eine Gratwanderung. Sie bezeugten Naturereignisse und Seinszustände, Geschehnisse, Ereignisse und Entdeckungen – und sie artikulierten gleichermaßen menschliche Hoffnungen, Sehnsüchte, Mahnungen und Zuspruch.

Dem Offensichtlichen auf den Leib rücken

Die Künstlerin, die an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden Malerei und Grafik studiert hat, führe Zwiesprache mit ihren Arbeiten, vertiefe sich in sie, rücke beim Eingraben der Linien ins Metall dem Offensichtlichen auf den Leib und befördere im Druck schlussendlich das Darunterliegende ans Tageslicht, sagte Brabenetz und zitierte Felix Hollenberg: "Eine Poesie, die neu und ohne Vorbild ist, wird entstehen, und sie wird besser sein als die unsrige, der die Tradition die Freiheit nahm. Möchte bald diese neue Kunst von neuen Menschen geboren werden." Auch Kerstin Franke-Gneuß entwickele in ihrem Radierwerk "eine neue Poesie, die scheinbar ganz ohne Vorbild und daher frei ist".

Passend dazu musikalisch-poetisch war das Spiel Hans-Hinrich Renners auf dem Violoncello, das die Preisverleihung umrahmte, die mit einem Rundgang durch die Ausstellung endete.