Der Hof von oben: Das einige Jahre alte Luftbild zeigt den Kräuterkasten (unten Mitte) und den breiten Durchgang, links davon, zwischen dem denkmalgeschützten Haus und dem inzwischen abgerissenen Gebäude, das durch einen Neubau mit drei Vollgeschossen ersetzt werden soll. Die niedrigen, denkmalgeschützten Häuser im Unteren Stadtgraben (unten) bekämen dadurch mehr Schatten als bisher ab. Die Zufahrt zur geplanten Tiefgarage müsste durch die Gasse links oder um den Kräuterkasten herum führen. Foto: SB-Archiv

Geplanter Neubau im Hof: Heftige Kritik an der Stadt: Zu wenige Vorgaben.

Albstadt-Ebingen - Mit einem offenen Brief wenden sich die Bewohner des Unteren Stadtgrabens, des Hofes und der Wilhelm-Dodel-Gasse an Oberbürgermeister Klaus Konzelmann und die Stadträte. Thema ist der geplante Neubau zwischen fünf denkmalgeschützten Gebäuden im Hof.

Als "übler städtebaulicher Fremdkörper" überschreite der Neubau alles, was bisher in der Ebinger Altstadt geplant worden sei, heißt es im offenen Brief der Anwohner. Die Bebauung im Hufeisen sei mit wenigen Ausnahmen ein harmonisch gewachsenes Ensemble, mit fast ausschließlich steilen Satteldächern – geradezu das Markenzeichen des Areals. Da es im Hof keinen Bebauungsplan gebe, müsse die Rücksichtnahme und das sich Einfügen auf die vorhandene Bebauung oberste Priorität für jeden Neubau haben – umso mehr bei einem Neubau in einem der sensibelsten Bereiche der Altstadt zwischen fünf denkmalgeschützten Gebäuden.

"Die Dachform ist chaotisch"

Nach den bisherigen Entwurfs-Zeichnungen sei der vorliegende Entwurf von einem genehmigungsfähigen Plan weit entfernt, heißt es weiter. "Von einem fertigen Baugesuch zu sprechen wäre unzutreffend, weil mehrere wichtige Pläne und Darstellungen und vor allem ein Lageplan mit Abstandsflächen fehlen." Die Anwohner nennen die Dachform "chaotisch": Der Bauträger erhalte bei einem steilen Satteldach zu wenig Wohnfläche, daher werde mit "dilettantischen Kunstgriffen" wie einem flachen Satteldach und langen Flachdachbereichen versucht, ein weiteres Vollgeschoss im Dachgeschoss zu bekommen. Im Vergleich zum bisherigen Gebäude entstehe ein "massiver Klotz" mit durchgehend ein bis zwei zusätzlichen Vollgeschossen.

"Balkone sind im Hufeisen unüblich"

An der Süd-Fassade zum Hof sollen sechs Balkone entstehen, worauf bei Neubauten zur Wahrung des Stadtbildes bisher verzichtet worden sei – selbst an den massigen Gebäude in der Wilhelm-Dodel-Gasse. Balkone oder ganz atypische Laubengänge wären eine "einschneidende Veränderung inmitten der Altstadt und für den Hof ein Unding".

Die Anwohner fragen sich: "Will die Stadt Albstadt jetzt plötzlich eine ausufernde Balkon-Landschaft im Hufeisen zulassen?" Hier sei nicht nur der technische Ausschuss, sondern der Oberbürgermeister und der Gemeinderat gefragt, "denn dieser Präzedenzfall hätte Auswirkungen, auch auf künftige Baugenehmigungen".

Die geplante "massive West-Fassade" zum denkmalgeschützten Kräuterkasten mit elf Fenstern rücke über drei Geschosse, unter Ausnutzung der Grenzbebauung, wesentlich näher an den Kräuterkasten heranrücken als die bisherige Außenwand. "Der schöne Durchgang zum Stadtgraben, am liebevoll angelegten Kräutergarten vorbei, würde zum dunklen und engen Hohlweg verkommen", befürchten die Anwohner. Das vorherige Gebäude habe nur ein Vollgeschoss gehabt – der geplante Neubau drei. Private Bauherren rieben sich verwundert die Augen, wenn die Stadt dem Investor eine Grenzbebauung über drei Stockwerke erlaubte, obwohl der bisherige Bau mit der eigentlichen Haus-Außenwand 2,50 Meter Abstand zur Grenze am Kräuterkasten hatte. Wieso die Stadt ihm eine durchgehende Grenzbebauung in Aussicht stelle, so dass am Schuppen des Kräuterkastens nur noch ein Durchgang von 1,60 Meter verbleibe, sei rätselhaft.

Ganz inakzeptabel für die Bewohner des Unteren Stadtgrabens mit ihren kleinen und zum Teil denkmalgeschützten Häusern ist die Gestaltung der 26 Meter langen Außenwand. "Bisher erfreuten sich Bewohner und Spaziergänger an dem sonnigen und einladenden Kleinod im Unteren Stadtgraben", betonen sie. Der geplante Neubau erhalte über mehr als zwei Drittel der Länge drei Vollgeschosse, "wobei ein paar optisch heruntergezogene Dachstreifen ein Satteldach vorgaukeln sollen". Die Erhöhung der Außenwand über drei Meter bedeute eine gravierende Verschattung des schmalen, pittoresken Sträßchens "und hätte große Auswirkungen auf die Wohnqualität der niedrigen Häuser".

Zufahrt führt über städtisches Areal

Die Genehmigung einer Tiefgarage – egal ob von der Wilhelm-Dodel-Gasse her oder am Kräuterkasten vorbei – halten die Anwohner "für ein Desaster". Die bisherigen Entwürfe des Bauträgers gingen "in dreister Weise davon aus, dass die Stadt alles mit sich machen lässt" und bereit sei, "auf eigener städtischer Straße, für die Einfahrt in eine private Tiefgarage, den Hof oder im anderen Fall das Ende der Wilhelm-Dodel-Gasse abzugraben". Normalerweise müsse der Investor die Garagenabfahrt im eigenen Gebäude planen. "Eine Tiefgaragen-Zufahrt durch den Hof würde vieles an gewachsenem Miteinander zerstören", betonen die Verfasser des Briefes. "Wie sollen dann noch die bisherigen vorbildlichen Aktionen und Initiativen funktionieren, wie Außenbewirtungen, auch am Kräuterkasten, Konzerte, Fest der Kulturen, Bühnen-Aufbau, städtische Veranstaltungen und vieles mehr?"

"Ein Gespräch würde nichts bringen"

Ein Gespräch, wie Baubürgermeister Udo Hollauer es den Anwohnern vorgeschlagen habe, halten diese nicht für zielführend. Zum einen habe bereits am 12. Dezember ein solches mit mehreren Nachbarn unter Teilnahme von Friedrich Rau, der in der Nähe wohnt und selbst Architekt ist, stattgefunden, das kein Ergebnis gebracht habe und "geradezu frustrierend" verlaufen sei. Zum anderen stellten die Anlieger keine Maximalforderungen, sondern wollten nur das, was für den Neubau in diesem Bereich selbstverständlich sein sollte, wie sie betonen: 2,50 Meter Grenzabstand an der Westseite zum Kräuterkasten, im Unteren Stadtgraben nur zwei Vollgeschosse, ein Satteldach, das seinen Namen verdiene, den Verzicht auf Balkone und auf eine Tiefgarage. Das sei die Stadtverwaltung "dem Erhalt der historischen Altstadt schuldig – und den Bürgern auch".