Im Hechinger Gerichtssaal spielten sich gestern dramatische Szenen ab. Foto: sb

Dramatische Szenen beim Tailfinger Brandstifter-Prozess: 31-Jähriger zeigt Nerven. Rasierklinge am Hals?

Albstadt-Tailfingen/Hechingen - Dramatische Szenen im Landgericht Hechingen: Eben aus der Mittagspause zurückgekehrt, hält der Angeklagte einen Gegenstand fest in der rechten Hand umklammert, legt ihn auf seine Halsbeuge und schreit: "Weg von mir!"

Der 31-jährige Möbelhändler, der im Sommer 2014 sein Möbelhaus in Tailfingen angezündet haben soll und seine Unschuld beteuert, schien gestern, am fünften Prozesstag, mit seinen Nerven völlig am Ende zu sein. Dass sich der Mann, der sich wegen besonders schwerer Brandstiftung vor Gericht zu verantworten hat, wirklich etwas antun wollte, kann nur spekuliert werden; genauso, ob es sich bei dem, was er in der Hand hielt, tatsächlich um eine kleine Rasierklinge gehandelt hat. Dies wurde gestern Mittag zwar gemutmaßt, ließ sich aber auf Nachfrage des Schwarzwälder Boten bei Staatsanwältin Nicole Luther nicht verifizieren.

Anwesenden stockt kollektiv der Atem

Fest steht allerdings, dass Gericht, Staatsanwalt, Verteidigung, Dolmetscherin und Beobachtern kollektiv der Atem stockte. Der Verteidiger des jungen Mannes sprach sofort beschwichtigend auf seinen Mandaten ein. Letztlich war es ein Justizbeamter, der den Angeklagten überwältigte. Ein Arzt wurde konsultiert, und nach einer Unterbrechung ging die Verhandlung weiter.

Der 31-Jährige hat, wie sein Verteidiger ausführte, seit Tagen offenbar kaum gegessen und getrunken. Der Vorsitzende, Richter Herbert Anderer, bot jedoch an, sofort zu unterbrechen, falls sich der Gesundheitszustand des 31-Jährigen verschlechtern sollte.

Ruhiger – wenngleich gehaltvoll – verlaufen war das Vormittagsprogramm. Nach der Befragung des Buchhalters, der für das Steuerwesen des ausgebrannten Möbelhauses verantwortlich zeichnet, sah Herbert Anderer ein potenzielles Tatmotiv im "komplett unrentablen Betrieb" des Tailfinger Möbelhauses.

Die überwachten Telefongespräche, über die der zuständige Hauptkommissar berichtete, hatten exakt jenen Eindruck geliefert. Anderer fragte sich, ob womöglich Summen schwarz geflossen seien? Genauso zog der Richter in Erwägung, dass sich der Angeklagte bei der Abwicklung eines Wasserschadens mit seiner Versicherung bereichert habe.

Nicht zuletzt ging es um die Möglichkeit des Sozialversicherungsbetruges – und zwar aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Beschäftigung von Familienmitgliedern. Breiten Raum nahm gestern die Befragung des Vaters ein, der Albstadt als künftigen Standort des Möbelhauses komplett ausschloss.

Allerdings, so führte er aus, werde nun auch überall schlecht über seine Familie geredet. Auf die Frage, ob er oder eines seiner Familienmitglieder etwas mit dem Brand zu tun habe, antwortete er: "Auf keinen Fall." Am Dienstag steht ein neuerlicher Ortstermin in Tailfingen auf dem Programm.