"Election Day" – das wohl bekannteste Gemälde von John Lewis Krimmel. »Election Day« – das wohl bekannteste Gemälde von John Lewis Krimmel. Foto: Winterthur Museum (Winterthur, DE)

Johann Ludwig alias John Lewis Krimmel begründete vor 200 Jahren die Genremalerei in Amerika.

Albstadt-Ebingen - Ebingen – Wiege der Künstler? Außer Christian Landenberger fällt einem nicht viel ein. Doch es gibt noch einen Ebinger, der es immerhin zu bescheidenem Ruhm gebracht hat. In Amerika, wo man Johann Ludwig Krimmel als John Lewis Krimmel kennt.

Und als Pionier einer Kunstgattung, die es vor ihm in den Vereinigten Staaten nicht gegeben hatte: der Genremalerei. Krimmel wirkte im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in Philadelphia, damals erste Metropole der Neuen Welt; zu dieser Zeit beschränkte sich das Themenspektrum der jungen amerikanischen Malerei auf biblische und historische Inhalte – Alltagsszenen aus einem bäuerlichen oder bürgerlichen Milieu waren ausgerechnet im demokratischen Amerika kein Sujet, das Künstler und Publikum reizte. Bis Krimmel kam.

Das war 1809 – Anfang November traf der 23-Jährige in Philadelphia ein, wohin sein älterer Bruder Georg Friedrich schon im Sommer 1807 mit seiner Familie ausgewandert war. Die Brüder stammten aus einer angesehenen Ebinger Familie – ein Vorfahr war Bürgermeister gewesen und ihr Vater Johann Jakob Krimmel Konditor in der Ebinger Marktstraße. Das Haus dürfte zwischen Rathaus und Oberem Tor gelegen haben, in der Nähe der heutigen Volksbank.

Keine Lust auf den Konditorenberuf

Johann Ludwig Krimmel wurde am 30. Mai 1786 geboren; er war zehn, als sein Vater, und 17, als die Mutter starb. Er hatte die Lateinschule besucht und fand so wenig wie sein Bruder Geschmack am Metier des Konditors. So übernahm sein Schwager Paul Daser den väterlichen Betrieb; die beiden Brüder ließen sich auszahlen und suchten ihr Glück in der Neuen Welt.

Dort wurde aus Johann Ludwig sehr bald John Lewis Krimmel – und, zum Ärger des Bruders, ein Kunstmaler. Die Neigung dürfte schon früh bestanden haben, und auch eine gewisse Praxis als Illustrator besaß der Konditorensohn – schwäbisches Gebäck um 1800 war oft mit Bildern aus Zuckerguss dekoriert. Indes lassen die ersten Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder erkennen, dass John Lewis Krimmel sich das Handwerkszeug erst noch aneignen musste: Seine Figuren wirkten steif und anatomisch unrichtig, die Proportionen stimmten nicht, die Komposition waren wenig überzeugend.

Doch Krimmel lernte: Er belegte Kurse, fertigte Aktstudien, kopierte fremde Arbeiten und zeichnete nach der Natur – wobei die Natur anfangs erkennbar akademische Züge trug und Krimmels Vorbilder, die niederländischen Genremaler des 17. und die englischen des 18 Jahrhunderts – William Hogarth und David Wilkie – nicht verleugnete. Gleichwohl zeichnet sich Krimmels Werk von Anfang an durch lebhaftes Interesse an seiner Umwelt aus. Hier wird seine Eigenart sichtbar: Die klassizistisch symmetrische Komposition seiner Darstellung ekstatisch betender Schwarzer mochte konventionell sein – das Sujet war neu und originell. So etwas hatte es noch nicht gegeben.

Diesen Weg verfolgte Krimmel konsequent weiter. Er malte Gasthausszenen, Quiltrunden, Kinder beim Blinde- Kuh-Spiel, Marktszenen und 1815 schließlich den "Election Day" – "Wahltag" – , der ihn auf der Höhe seiner neu gewonnenen Möglichkeiten zeigt: Aus dem Amateur war ein Profi geworden. 1816 reiste er zurück nach Europa, um nach dem Tod seiner Schwester die zerrütteten Vermögensverhältnisse von Schwager Dasers Familie zu ordnen. Dem Aufenthalt in Ebingen ließ er eine Reise nach Wien folgen – der künstlerische Ertrag sind Zeichenbücher, die sowohl Abbildungen von Höhlen auf den Bermudas als auch von der Abtei Melk enthalten – und von der Ebinger Langwatte.

Was er in Europa gelernt hatte, zeigten die Arbeiten, die nach seiner Rückkehr nach Philadelphia entstanden. Sie waren weniger statisch, lebendiger – eine vergleichbar kühne Komposition wie die des Umzugsbildes "Parade of the Victuallers" von 1821 sucht man im frühen Werk vergeblich. John Lewis Krimmels Weg führte erkennbar nach oben – auch in materieller Hinsicht; die ersten größeren Aufträge stellten sich ein. Umso unerwarteter kam sein Tod: Am 15. Juni 1821 ertrank er in einem Mühlteich. Der "amerikanische Hogarth" war nur 35 Jahre alt geworden.

Zwei Dutzend Gemälde – und viele Skizzen

Das Werk, das er hinterließ, umfasst knapp zwei Dutzend Ölgemälde, mehrere Zeichenbücher mit rund 700 Zeichnungen und einige Aquarelle und Radierungen – kein umfangreiches Oeuvre. Sein Schöpfer fiel für 140 Jahre in Vergessenheit; erst in den 1960er Jahren erwachte das Interesse an seiner Kunst wieder – in Amerika. In Ebingen steht die Begegnung mit einem nicht unbedeutenden Sohn der Stadt noch aus.

Das einschlägige Werk über Johann Ludwig Krimmel und seine Kunst heißt "John Lewis Krimmel", erschien 1994 und stammt von der Deutsch- Amerikanerin Anneliese Harding. Hardings Recherchen haben sie übrigens mehrmals nach Albstadt geführt, wo sie im Stadtarchiv nach Spuren Krimmels suchte und mit Hilfe von Stadtarchivar und -chronist Walter Stettner auch fündig wurde. Ein Exemplar ihres Buchs ist im Besitz des Stadtarchivs.