Tag der Begegnung: Birgit Brennecke referiert über Aufstieg und Niedergang der Textilindustrie in Onstmettingen

Heute maschinell produziert, früher mit körperlicher Schwerstarbeit gefertigt: Der Förderverein des Philipp-Matthäus-Hahn-Museums lud am "Tag der Begegnung" zu einer Zeitreise in die textile Vergangenheit Onstmettingens ein.

Albstadt-Onstmettingen. Ob widerstandsfähiger Baumwollpullover oder edle Seidenbluse: In nur wenigen Arbeitsschritten gelingt es der heutigen Textilindustrie mit Hilfe moderner Produktionsverfahren, Textilien jeglicher Art massenhaft anzufertigen. Was heutzutage im Regelfall maschinell produziert wird, musste vor Beginn der Industrialisierung in mühevoller körperlicher Arbeit angefertigt werden. Wer sich ein Bild davon machen wollte, der erhielt am "Tag der Begegnung", den der Förderverein unter dem Motto "Mit Herz und Sinnen hier bei uns in Onstmettingen" ausrichtete, die Gelegenheit. Es waren viele, die sie nutzten und der Einladung des Fördervereinsvorsitzenden Manfred Schaber ins Philipp-Matthäus-Hahn-Museum folgten.

In einer Gegend, deren eisige Winter so manchen Landwirt in den Ruin trieben, schoss die Textilindustrie Ende des 19. Jahrhunderts über Nacht aus steinigem Ackerboden – in einem lebendigen Vortrag ließ Birgit Brennecke ihre fast märchenhafte Entwicklung Revue passieren. "Ich habe mein ganzes Leben mit Textilien verbracht", stellte sie schmunzelnd fest – und verhehlte nicht den ernsten Hintergrund ihres Engagements: Die aktuelle Jahresgabe des Fördervereins zum Thema Textilindustrie ist gewissermaßen das Vermächtnis ihres verstorbenen Ehemanns Gerhard Brennecke. Bis in die Stuttgarter Archive war der ehemalige Geschäftsführer der Firma Johannes Drescher vorgedrungen – vor Augen das Ziel, die lokale Maschenindustrie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Man befinde man sich auf "geschichtsträchtigem Boden", verriet Birgit Brennecke augenzwinkernd: Der Kasten habe immerhin einst eine Korsettweberei beherbergt.

1884 legte Christian Alber die Grundsteine für den rasanten Aufstieg des neuen Wirtschaftszweiges. Mit der Gründung der ersten Trikotwarenfabrik des Ortes gelang es dem Vater von zwölf Kindern, das unbekannte Terrain mit sprichwörtlich vollem Körpereinsatz zu erschließen. Heute undenkbar, damals Realität: Ganze 15 Minuten lang musste Alber den Rundstuhl mit seiner eigenen Muskelkraft betreiben, um die Stoffmenge eines einzigen T-Shirts zu produzieren.

Die Impulse der Industrialisierung ließen in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Fabrikgebäude aus dem Onstmettinger Boden schießen. Sogar der zerstörerischen Macht der beiden Weltkriege habe man getrotzt, betonte Brennecke, und das mit Erfolg: "Wenn die Nähte im Stoff auch drückten, so wurden sie von der Damenwelt doch sehr geschätzt."

Musikalisch umrahmt wurde die Reise in die Onstmettinger Vergangenheit von Reinhard Fritsch am Klavier, der das Publikum unter anderem mit Dave Brubecks Jazz-Klassiker "Take Five" begeisterte. Zudem bekamen die Besucher die Möglichkeit, die schillernde Vergangenheit der Onstmettinger Textilfirmen im Rahmen einer Ausstellung hautnah nachzuempfinden.

Schunkelnd wurde die lebhafte Zeitreise in der Ochsenscheuer beschlossen: Der Singkreis Kasten riss die Freunde der Textilindustrie mit volkstümlichen Weisen in seinen Bann. Für die Bewirtung der Gäste zeichneten die Mitglieder des Fördervereins Philipp-Matthäus-Hahn-Museum verantwortlich.