Viele Eltern sehen sich mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert - und suchen Hilfe. Foto: mizina/Fotolia.com

Psychologische Beratungsstelle in Albstadt sieht sich großen Herausforderungen gegenüber.

Albstadt-Ebingen - Die Zahl der Aufgaben wächst – die der Mitarbeiter nicht: Die psychologische Beratungsstelle in Albstadt sieht sich großen Herausforderungen gegenüber, wie ihr Leiter Stephan Heesen berichtet. Vor allem in der Paarberatung steigen die Fallzahlen.

Sehr teuer und kaum erhältlich ist Paarberatung auf dem freien Markt – und gefragt obendrein. Das bekommen Stephan Heesen und sein Team in der psychologischen Beratungsstelle Albstadt zu spüren. Der Leiter hat im Ausschuss für Soziales, Kultur, Schulen und Sport die Zahlen für 2016 vorgelegt, und die sprechen Bände.

Gerichtsnahe Beratung, die Beratung geflüchteter Menschen, ratsuchender Familien mit unter Dreijährigen und psychisch kranker Eltern, die Einschätzung von Kindeswohlgefährdung sowie die Verdichtung der Probleme bei Ratsuchenden – zu Sucht, Armut, Schulden und Arbeitslosigkeit kommen oft Überforderung und verhaltensauffällige Kinder: Es sind nicht wenige Herausforderungen, denen sich die Berater – verabschiedet wurde 2016 Roswitha Rieth-Balthasar, neu hinzugekommen ist Josef Heilmeier – stellen müssen. 44 Prozent der Klienten müssen laut Heesen länger als vier Wochen auf einen Termin warten, 20 Prozent länger als acht Wochen.

Ehe- und Paarberatung ist stärker nachgefragt

Mit 672 Ratsuchenden und 424 Beratungsfällen, davon 170 Übernahmen aus dem Vorjahr, 354 neue und 324 abgeschlossene, bleiben die Zahlen zwar etwa auf Vorjahresniveau, dabei fällt jedoch auf, dass die Erziehungs- und Familienberatung zurückgegangen ist von 160 auf 138 Fälle, die Ehe- und Paarberatung aber stärker nachgefragt wird: 2015 waren es 63, ein Jahr später schon 80 Fälle. Mit 206 sind die Fallzahlen in der Lebensberatung stagniert.

In 27 Prozent der Fälle ist es mit einer Sitzung getan, in jedem vierten Fall mit bis zu drei und in 19 Prozent mit bis zu fünf Sitzungen. Dass evangelische und katholische Kirche die Träger sind, schlägt sich auch bei den Ratsuchenden nieder: 40,2 Prozent sind evangelisch, 36 Prozent katholisch, und 15,8 Prozent konfessionslos. 3,1 Prozent sind muslimischen Glaubens.

Deutsche stellen mit 92,4 Prozent die größte Gruppe, allerdings haben 15,3 Prozent der Ratsuchenden einen Migrationshintergrund. Der größte Teil der Personen, fast 65 Prozent, kommen aus dem Bereich Albstadt, 17,11 Prozent aus dem Raum Balingen und knapp zehn Prozent aus dem Bereich Hechingen.

Dass Familien mit Kindern in der Pubertät in der Erziehungs- und Familienberatung das Hauptkontingent bilden, ist nichts Neues. An erster Stelle der Gründe für die pädagogische Überforderung der Eltern stehen Trennung und Scheidung, gefolgt von Ängsten und Problemen mit dem Selbstwert.

Kommunikationsprobleme sind in der Paarberatung ganz oben auf der Liste, vor dem eskalierenden Streitverhalten und dem "Auseinanderleben", dem Mangel an Kontakt. In der Lebensberatung sind depressive Stimmungen mit Abstand auf Platz eins, gefolgt von Selbstwert-Themen sowie der Ausbildungs- und Arbeitssituation.

Auffällig: Zum Erstgespräch seien 2016 besonders viele Personen nicht erschienen, berichtete Heesen, der von einer "nach wie vor katastrophalen psychiatrischen Versorgung" spricht, vom wachsenden Druck, der auf Studenten laste, von zunehmenden Ängsten bei jungen Menschen und vom Netzwerk seines Teams, das oft Schlimmeres verhindere, wie der Fall eines suizidgefährdeten Schülers zeigte, bei dem das Team Schulsozialarbeiter und Lehrer mit eingebunden habe.

Mit noch größeren personellen Problemen rechnet Heesen, wenn das Lea-Privileg wegfällt und die Gemeinden im Zollernalbkreis Geflüchtete unterbringen müssen, die oft traumatisiert sind. "Auch an Dolmetschern fehlt es", sagte Heesen. "Zudem müssen sie selbst sehr stabil sein."

Jeder investierte Euro spart Folgekosten

Philipp Kalenbach (FDP) regte mit Blick auf die finanzielle Ausstattung der Beratungsstelle, die laut Heesen ebenfalls besser sein könnte, an, die Folgen fehlender Beratung deutlich zu machen. Heesen zitierte aus einer noch jungen Studie: "Jeder Euro, der in die Kinder- und Jugendhilfeberatung gesteckt wird, spart vier bis sechs Euro an Folgekosten." Und dann fügte er hinzu: "Aber die Politik denkt ja leider oft kurzsichtig."