Totalschaden: Aus der Bücker 131 Jungmann befreiten Feuerwehr und Rettungskräfte den Piloten, der mit schweren Prellungen davon kam. Foto: Eyrich

Flugplatzfest wegen Unfall unterbrochen. Abgestürzter 76-Jähriger erleidet Prellungen.

Albstadt-Tailfingen - Ein Flugunfall hat am Samstag das Flugplatzfest des Luftsportvereins Degerfeld überschattet. Die gute Nachricht: Der Pilot aus Mössingen überlebte. Er wurde mit schweren Prellungen in eine Tübinger Klinik geflogen, ist aber darüber hinaus aber unverletzt.

Es ist kurz nach 16 Uhr. Tausende Besucher tummeln sich bei Sonnenschein und einer leichten Brise auf dem Flugplatz Degerfeld. Am Himmel wechseln sich die Kunstflieger mit Segel- und Motorflugzeugen ab. Plötzlich der Schreck: Ein 76-jähriger Pilot aus Mössingen setzt mit seiner Bücker 131 Jungmann zum so genannten Trudel, einer Art Sturzflug Richtung Boden, an. Er ist bereits gefährlich tief, schafft es gerade noch, das Ruder herumzureißen und schlägt – etwa in einem 45-Grad-Winkel – auf dem Boden auf. Das Flugzeug hebt kurz noch einmal ab und kracht dann, nur einige Meter weiter, ganz zu Boden.

Glück im Unglück

Pit Kerndl, der über Lautsprecher das Geschehen kommentiert, ruft die Besuchermenge sofort zur Ruhe auf. Nur Momente später sind ein Löschgruppenfahrzeug der Feuerwehr und der Sanitätswachdienst des Roten Kreuzes an der Unfallmaschine. Die Rotkreuzhelfer aus Tailfingen und Bitz befreien den Piloten aus dem Wrack und versorgen ihn. Sein Glück: Der Pilot saß, wie bei solchen Maschinen üblich, nicht auf dem vorderen, sondern auf dem Platz dahinter. Der Winkel, in dem sein Flugzeug den Boden traf, war günstig für den Flieger – dem Flugzeug blieb Raum, um weiter zu rutschen. Und: Die Maschine hatte kein hohes Tempo.

Nach gut zehn Minuten verkündet Kerndl den besorgten, teils sichtlich schockierten Zuschauern die erlösende Nachricht: Der Pilot lebt. Er ist ansprechbar, hat zwar schwere Prellungen davon getragen, kann sich aber bewegen und scheint nicht schwer verletzt.

Inzwischen sind der Rettungswagen und der Notarzt eingetroffen. Zur Vorsicht wird der Pilot von einem Hubschrauber in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen geflogen, die später die Diagnose bestätigen wird, während 17 Tailfinger Feuerwehrleute Treibstoff aus der Maschine pumpen, wie Einsatzleiter Frank Bähr erklärt, und die Maschine absichern.

Ehe das Wrack – die rund 100 000 Euro teure Maschine, die dem Piloten und einem Kompagnon gehört, ist ein Totalschaden – abtransportiert wird, muss ein Sachverständiger des Luftfahrtbundesamtes es untersuchen. Deshalb beschlagnahmt die Polizei das Flugzeug einstweilen. Vor allem gilt es, zu klären, ob ein technischer Defekt die Ursache war.

"Wir sind heilfroh, dass alles den Umständen entsprechend glimpflich abgegangen ist", verkündet ein Sprecher des Luftsportvereins Degerfeld, der seit Jahren das Flugplatzfest im August veranstaltet. Dennoch: Für den Samstag sagen die Veranstalter das restliche Programm ab, zumal sich Wrack, Polizei und Feuerwehrleute noch auf dem Flugfeld befinden. Denn während der Flugshows, so will es der LSV Degerfeld, soll sich dort niemand aufhalten. Alle Zuschauer müssen hinter die sichere Absperrung.

Am Sonntag jedoch geht der Flugbetrieb ganz normal weiter – und durchaus atemberaubend, diesmal aber aus anderem Grund. Denn der "fliegende Zirkus" von Wing-Walkerin Peggy Krainz, die auf den Flügeln einer Boing Stearman von 1942 spazieren geht, ist der Höhepunkt des Tages. Den Wind lässt sie sich mit rund 200 Stundenkilometern um die Nase wehen, während ihr Lebensgefährte Friedrich Waltenin die Maschine steuert. Daran befestigt ist die zierliche 41-Jährige nur durch eine Leine, und dennoch winkt sie fröhlich von der oberen Tragfläche dem staunenden Publikum zu. Denn Angst, so hat sie vorher verraten, habe sie nicht: Gut gesichert und die Erfahrung von 600 Shows im Rücken, absolvieren sie und ihr Partner den 13-minütigen Flug routiniert – und landen sicher wieder auf dem Degerfeld.

Kommentar: Zu weit?!

Der Absturz des Flugzeugs auf dem Degerfeld wirft Fragen auf. Zwar verleitet die Tatsache, dass der Pilot mit Prellungen davongekommen ist, allzu schnell dazu, zur Tagesordnung überzugehen. Dennoch kommen Veranstalter, Piloten – und auch das Publikum – nicht umhin, sich zu überlegen, wie viel zu viel ist: Dass Shows – nicht nur Flugvorführungen – in den vergangenen Jahren immer spektakulärer werden, ist wohl der Tatsache geschuldet, dass damit mehr Zuschauer zu gewinnen sind als mit gänzlich ungefährlichen. Die Veranstalter müssen für sich einen schmalen Grat finden: attraktiv sein, aber auch die Sicherheit aller Beteiligten garantieren. In diesem Punkt tut der LSV Degerfeld sehr viel. Dennoch muss er sich fragen, ob er zulassen will, dass Piloten sich in immer spektakuläreren Shows messen. Das Spiel mit dem Risiko hat bei Flugshows nicht zu suchen.

Von Karina Eyrich