Trauma-Experte Knud-Eike Buchmann fesselte die Besucher zum Thema Sterbehilfe. Foto: Schwarzwälder-Bote

Polizei-Psychologe hält Vortrag über Tod und Trauer / Plädoyer für einen natürlichen Umgang mit dem Thema

Von Lothar Herzog

Aichhalden. Der Tod ist nicht immer der Feind des Menschen. Er gehört zum Leben dazu. Der Prozess des Sterbens und des Loslassens hat damit zu tun, wie man gelebt hat. Diesen Standpunkt vertrat Knud-Eike Buchmann in Aichhalden. Er kennt sich aus mit dem Thema.

Buchmann ist Trauma-Experte und arbeitet ehrenamtlich in der Sterbebegleitung im Schwarzwald-Baar-Kreis. Die Besucher im katholischen Gemeindehaus St. Martin erhielten von ihm eine Fülle von Sichtweisen zur "Sterbehilfe". Der ehemals an der Polizeihochschule in Schwenningen tätige Professor für Psychologe und Personalführung hielt einen Vortrag über Sterbehilfe, Sterbebegleitung und Suizid. Wie Dekanatsreferent Jens Wöhrle aus Rottweil einführend verriet, gehe es bei diesem facettenreichen Thema um Grenzsituationen und -erfahrungen sowie um medizinische, ethische und rechtliche Fragen. Wie könne ein Sterben in Würde aussehen? Dabei spiele auch der Suizid eine Rolle, sagte Wöhrle und übergab das Wort an den Trauma-Experten.

Für die Sterbebegleitung gebe es keine Fachleute, da wachse man hinein, so Buchmann. Keine Institution, auch nicht die Kirche, könne sagen: "So muss es sein und nur so ist es richtig." Es handle sich um ein von der Religion losgelöstes Thema. Er habe bei der Polizei alle Heimlichkeit des Sterbens und Tötens erlebt. Nicht immer sei der Tod des Menschen Feind, behauptete Buchmann. Das Sterben setze das Loslassen voraus. Das habe auch mit Gelassenheit zu tun und könne geübt werden.

Das Individuum in der Gesellschaft sei mit einer ganz besonderen Würde ausgestattet, wozu die Selbstbestimmung gehöre. Mit Letzterem habe das Sterben im Wesentlichen zu tun: 0,7 Prozent der Betroffenen sterben im Hospiz, zehn Prozent zu Hause. Doch der Wunsch, in den eigenen vier Wänden das Leben beenden zu dürfen, liege bei 80 Prozent. Zuerst verliere der Mensch seine Sicherheit. Dann wolle er dem Schmerz ausweichen. Es sei heute durch die Medizin möglich, ohne Schmerzen zu sterben. Ob Medikamente immer sinnvoll sind, zweifelte er an. Das Gehirn sei so angelegt, mit Schmerzen umgehen zu können. Das Sterben könne durch Testament, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung "sehr wohl vorbereitet" werden. Es sollte überlegt werden, in welchem Umfeld man sterben wolle. Ärzte dürften nicht von sich behaupten, nur für das Leben zuständig zu sein. Leben und Sterben gehöre untrennbar zusammen. Die Palliativmedizin sage nicht, es gehe in erster Linie um die Lebensverlängerung, sondern um Lebensqualität. Der Patientenwille stehe im Mittelpunkt, versicherte der Referent.

Sterbebegleitung sei etwas ganz anderes, bedeute Hilfe beim Sterben. Nach dem Tod müssten Angehörige in ihrer Trauer begleitet werden. Die aktive Sterbehilfe – Töten auf Verlangen – sei verboten. Jedoch nicht die indirekte Sterbehilfe, bei der der Patient mit starken Schmerzen Medikamente fürs Sterben bekomme. Den Suizid stellte Buchmann als "Zumutung für die Angehörigen" dar. Jede Selbsttötung müsse vermieden werden. Vor allem ältere Menschen hätten einen hohen Anteil an der Zahl von Selbsttötungen.

Auf die Frage eines Besuchers, was er den Politikern empfehle, sagte Buchmann: Das Gesetz zur Sterbehilfe brauche nicht geändert zu werden. Es müsse lediglich die Grauzone der Ärzte ausgehebelt werden. Dort, wo das Sterben begleitet werde, sinke die Suizid-Rate.

Die Bedenken einer Frau im Publikum, dass die Gesellschaft es lobe, wenn sich Sterbende aus dem Staub machten und den Angehörigen keine Arbeit mit der Grabpflege hinterließen, konnte der Experte nicht teilen. Klare Stellung nahm der Psychologe zur Klage von Pfarrer Albrecht Zepf, der bei vielen Beerdigungen die Enkelkinder der Toten vermisst. Kinder rauszuhalten und damit scheinbar zu schützen vor dem Umgang mit Tod und Trauer, sei kein guter Weg: "Damit liegen die Angehörigen völlig falsch."