Sie sitzen nah beieinander – und sind doch getrennt: die AfD-Fraktion (acht Abgeordnete vorne) und die ABW-Fraktion (hinten) im baden-württembergischen Landtag Foto: dpa

Die zwei Fraktionen der Alternative für Deutschland (AfD) im baden-württembergischen Landtag gehen gemeinsam in Klausur. Vor einer Wiedervereinigung wollen sie aber noch einen Untersuchungsausschuss durchsetzen.

Stuttgart - Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Normalerweise. Im Fall der AfD im baden-württembergischen Landtag sieht das etwas anders aus. An antisemtischen Passagen in einem Buch des Abgeordneten Wolfgang Gedeon entzündete sich fraktionsintern eine beispiellose Schlammschlacht. An deren Ende trat Gedeon zwar aus der Fraktion aus, die Spaltung der Fraktion verhinderte das allerdings nicht mehr. Und so gründete der Bundes- und Landesvorsitzende der Partei, Jörg Meuthen, vor etwas mehr als zwei Monaten mit 13 Gesinnungsgenossen eine eigene Fraktion, die Alternative für Baden-Württemberg (ABW). Acht Parlamentarier blieben in der ursprünglichen AfD-Fraktion zurück. Auch, weil sie Meuthens autoritären Führungsstil missbilligten.

Eine gespaltene AfD im Landtag und der daraus resultierende Streit auf Bundesebene zwischen den beiden Anführern Jörg Meuthen und Frauke Petry haben der Partei aber offensichtlich kaum geschadet. Zu groß scheint der Frust bei vielen Bürgern über die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Landtagsabgeordnete in Stuttgart leiden nicht sehr unter der Spaltung

Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern vor wenigen Tagen zog die AfD erstmals an der CDU vorbei, in den bundesweiten Umfragen liegt die rechtskonservative Partei – nach einem kleinen Zwischentief – inzwischen wieder bei 12 bis 15 Prozent, je nach Meinungsforschungsinstitut.

Wer in diesen Tagen mit Abgeordneten aus beiden AfD-Lagern im Stuttgarter Landtag spricht, der bekommt sogar den Eindruck, dass sie unter der Spaltung gar nicht so sehr leiden. Das Ganze habe seine Vorteile, heißt es. Zwei Fraktionen bekommen mehr Geld als eine, sie können gemeinsam einen Untersuchungsausschuss beantragen und die Stimmung ist unter den einigermaßen Gleichgesinnten auch besser als zuvor. Die AfD scheint also glücklich zerstritten.

Parteibasis erhöht den Druck, sich wieder zu vereinigen

Außerhalb des Landtags gibt es allerdings erheblichen Gegenwind. Von den anderen Landtagsfraktionen sowieso. Aber auch von der Parteibasis und aus dem persönlichen Umfeld bekomme man massiven Druck, sich wieder zu vereinigen, sagt ein Abgeordneter: „Zwei Fraktionen, das gilt als Zustand der Zerstrittenheit.“

Die AfD und die ABW haben sich deshalb schon vor der Sommerpause das Ziel gesetzt, die Spaltung zu überwinden und sich wieder zur stärksten Oppositionsfraktion zusammenzuschließen. Dafür wurde ein professioneller Streitschlichter engagiert, ein sogenannter Mediator. Gernot Barth heißt der Mann. Er kommt aus Leipzig und hat sich in den vergangenen Wochen bemüht, beide Lager einander wieder näher zu bringen.

Die Fraktionsvorsitzenden sagen vorerst nichts zur Mediation

Die Vorsitzenden beider Lager beißen bei Fragen zum Verlauf und Inhalt der Gespräche auf die Zunge. Heiner Merz (AfD) lässt ausrichten, dass er sich dazu nicht äußern möchte. Und Meuthen (ABW) sagt, dass man Stillschweigen vereinbart habe.

Aus Teilnehmerkreisen ist trotzdem zu erfahren, dass es zahlreiche Gespräche gegeben habe, unter anderem im Haus der Wirtschaft in Stuttgart. Wie man sich diese vorstellen muss? „Da sitzen dann 13 Personen im Halbkreis, fünf Stunden lang, und versuchen, konstruktiv zu sein“, erzählt einer. Der Blick sei immer nach vorne gerichtet – ein Rückblick oder gar eine Aufarbeitung der vergangenen Streitereien sei nicht erwünscht gewesen. Ein anderer Abgeordneter findet, die ganze Sache sei sicher nicht optimal verlaufen, urlaubsbedingt hätten immer wieder einige Leute gefehlt.

Nach Informationen unserer Zeitung ist der Mediationsprozess inzwischen beendet. Das Ergebnis: Es soll einen Bericht geben. Und einen Katalog von Verhaltensregeln, den alle AfD-Parlamentarier unterschreiben sollen, um Eskalationen wie vor etwas mehr als zwei Monaten in Zukunft zu vermeiden.

Gemeinsame Klausur in der Nähe von Stuttgart

In der kommenden Woche wird das Ergebnis noch einmal diskutiert. Von Montag bis Mittwoch treffen sich beide Fraktionen zu einer gemeinsamen Klausur im Raum Stuttgart. Den genauen Ort und den Namen des Hotels will niemand nennen – aus Angst vor linksextremen Anfeindungen und Störfeuern. „Es war schwer genug, überhaupt ein Hotel zu finden“, berichtet einer aus der AfD-Fraktion.

Ist die gemeinsame Klausur bereits ein Vorbote für die Wiedervereinigung? Aus der Ferne sieht das so aus. Wer allerdings denkt, es könnte dort nun alles ganz schnell gehen und eine wiedervereinigte AfD-Fraktion liege sich bald in den Armen, der täuscht sich. Die Wunden des Streits sind tief, sie bleiben. Auf Anführer Meuthen sind seine Kritiker noch immer nicht gut zu sprechen. Sie werfen ihm autoritäres und machttaktisches Gebaren vor. Von einer wiederentdeckten Liebe zueinander ist nicht auszugehen. Die beiden Fraktionen werden sich zusammenraufen – mehr nicht. Zu verschieden sind die einzelnen Abgeordneten, die das spektakuläre Ergebnis im März dieses Jahres (15,1 Prozent) in den Landtag gespült hat. „Wir sind sehr heterogen“, merkt dazu ein AfD-Abgeordneter süffisant an.

Antrag auf Untersuchungsausschuss kommt am 28. September ins Plenum

Beide Fraktionen müssen sich kommende Woche auch auf einen Fahrplan verständigen, wie sie mit Blick auf ihre Wiedervereinigung vorgehen und wann sie diese der Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) anzeigen. Dass sie zügig diese Meldung machen, ist unwahrscheinlich. Was vor allem an ihrem gemeinsamen Antrag auf einen Untersuchungsausschuss zu „Linksextremismus in Baden-Württemberg“ liegt. Denn um einen solchen einsetzen zu können, bedarf es der Zustimmung mindestens zweier Fraktionen. In der ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause am 28. September wird beraten, ob der am 10. August eingegangene Antrag überhaupt rechtlich zulässig ist und ob ihm letztlich stattgegeben wird. Landtagspräsidentin Aras kündigte vor kurzem in einem Brief an ein Mitglied der ABW-Fraktion bereits an: Wenn bei der Entscheidung des Landtags „nicht mehr beide antragstellenden Fraktionen existieren, wäre der Landtag schon deshalb nicht verpflichtet, den Untersuchungsausschuss einzusetzen.“

Sollten bei den anderen Landtagsfraktionen Zweifel über die Zulässigkeit des Untersuchungsgegenstands bestehen, würde der Landtag den Antrag an den Ständigen Ausschuss überweisen. Dieser muss den Fall prüfen, vermutlich auf Grundlage eines weiteren externen Gutachtens.

Meuthen hält nichts von taktischen Spielchen

Diese rechtlich knifflige Lage verleitet nicht jeden aus den beiden AfD-Fraktionen dazu, aufs Tempo zu drücken. Zwar würden Meuthen und einige andere aus seinem Lager dem Vernehmen nach für eine rasche Einigung auf den Untersuchungsausschuss verzichten. Doch ein großer Teil der Parlamentarier scheint ganz erpicht auf einen solchen zu sein. Der Ausschuss soll die Umtriebe von Linksextremisten im Südwesten und eine mutmaßliche finanzielle Förderung durch das Land durchleuchten.

„Das ist für uns ein ganz wichtiges Thema“, sagt ein Abgeordneter. Man habe aus den eigenen Reihen schon sehr viel Lob für den Antrag erhalten. Insofern hoffen die Ausschuss-Befürworter auch, dass die eigenen Anhänger es verzeihen, wenn sie aus rein taktischen Gründen die Wiedervereinigung etwas nach hinten schöbe. „So würden es die Alt-Parteien doch auch machen“, sagt ein AfD-Mann.