Christa Höhs vor dem Regal mit den Mappen ihrer Senior-Models. Foto: Senior-Models

Wie ein typisches Model aussieht? Jung, schlank, lange Beine, glatte Haut – von wegen. Christa Höhs, Gründerin der ersten Agentur für Senior-Models in Deutschland, sagt: „Der Trend geht zu den Alten.“ Ihr jüngstes Model ist 31, ihr ältestes 97 Jahre.

Stuttgart/München - Christa Höhs sieht man ihre 72 Jahre nicht an – graue Haare hin oder her. Ihr gewinnendes Lachen strahlt so viel Vitalität aus, dass es ansteckend wirkt. Ans Rentnerdasein denkt die umtriebige Agenturchefin noch lange nicht. Selbst erst mit 50 in New York als Model entdeckt, vermittelt sie in ihrer Agentur in München die Gesichter älterer Menschen als Werbeträger – und das mit Erfolg.

Egal ob Versicherer, Banken, Autohersteller, Lebensmittel- oder Kosmetikunternehmen, Telekommunikations- oder Reisekonzerne, die Kunden kommen aus unterschiedlichsten Branchen. „Es ist nicht nur der Zipperlein-Markt“, sagt Höhs. So nennt sie spezielle Produkte für Ältere. Der demografische Wandel kommt schließlich auch in der Werbebranche an.

Vor nunmehr 18 Jahren gründete Höhs ihre Agentur für ältere Models, nachdem sie zuvor selbst zwei Jahre als Senior-Model in New York ihren Lebensunterhalt verdient hatte. Dort hatte jede Agentur ein Senior-Segment. Das muss doch auch in Deutschland funktionieren, dachte sie – doch hier wurden Leute über 50 eher beiseitegeschoben. „Damals herrschte ein wahnsinniger Jugendwahn, der nicht auszuhalten war“, sagt sie. Der Start war schwer – bis die Medien über sie berichteten, erinnert sie sich. Dann flatterten die Aufträge rein – mit Ausnahme der Modebranche, die die Alten noch immer ignoriere, wie Höhs sagt.

„Zu schöne Frauen gehen nicht, denn sie erschlagen das Produkt“

In ihrer Kartei hat sie derzeit 500 Frauen und Männer. „Und noch 600 Bewerbungen, die ich alle absagen muss, denn ich will keine Karteileichen“, sagt Höhs. Chancen hat der, dessen Gesicht sich verkauft – da unterscheidet sich Höhs Agentur nicht von anderen.

Und wie sehen ihre Kriterien für ein Model aus? Natürlichkeit, Charisma, Authentizität, eine telegenes und fotogenes Gesicht. „Zu schöne Frauen gehen nicht, denn sie erschlagen das Produkt“, sagt sie. Was gut läuft, sind Bubikopf, blond beziehungsweise grau und blauäugig, bei Männern der Typ vertrauenserweckend, grauhaarig verantwortungsbewusst – darauf stehen vor allem Banken und Versicherungen. Manchmal kommen Aufträge, da suchen Werbestrategen einen gemütlichen Bayer oder eine verhärmt aussehende Frau, erzählt Höhs. Die Zeiten der Knuddel-Omas – gütig lächelnder Großmütter mit Haarkranz – sind vorbei und von selbstständigen reifen Frauen verdrängt.

Ihre Models hat Höhs „alle im Kopf“, sie kennt sie vom persönlichen Gespräch. Sehr dünn oder zu perfekt gestylt gilt bei ihr eher als Makel. Eine gepflegte Erscheinung ist ihr wichtig, strahlende Augen und ein Gesicht, das Optimismus und Neugier ausstrahlt.

Etwa zwei Drittel ihrer Models sind Profis, die von anderen Agenturen mit 30 aussortiert werden, weil sie zu alt sind. Viele sind schon seit Jahren bei ihr. Der Rest sind Laien, manchmal auch Frauen, die sich langweilen, weil Mann und Kinder aus dem Haus sind, und nach Anerkennung suchen. „Aber da sind richtig gute Leute dabei“, sagt Höhs, die sich ganz auf ihre Menschenkenntnis verlässt. Manche wären schon zufrieden, wenn sie in ihrer Kartei aufgenommen würden – das wäre für sie Bestätigung genug. Vielen geht es nicht ums Geld. Das Tageshonorar variiert je nach Auftraggeber. Für ein Fotoshooting für „Brigitte“ oder beispielsweise die Apotheken-Umschau sind es um die 400 Euro am Tag, für einen Fernsehspot können als Tageshonorar 1500 bis 2500 Euro herausspringen.

Heutige Oldies sind ein bunter Haufen

Gerade hat Höhs ein Buch geschrieben, in dem sie Einblicke in die Erfolgsgeschichte ihrer Senior-Modelagentur gibt und zeigt, dass es auch Menschen im sogenannten „besten Alter“ noch drauf haben. Der Titel: „Wenn ich alt bin werde ich Model. Warum wir uns nicht kleinmachen sollten.“ Die Älteren seien zwar salonfähiger geworden, aber noch nicht genug. „Die Ignoranz vieler Unternehmen in Bezug auf unsere Altersgruppe ist weiterhin groß“, sagt sie. „Auf Ältere eingehen kann man doch nur, wenn man weiß, wie sie ticken.“ Was sie ärgert: Es werde verkannt, dass man es bei den heutigen Oldies mit einem bunten Haufen zu tun habe, der sich nicht über einen Kamm scheren lasse und im Vergleich zu früheren Generationen viel fitter sei.

Im Jahr 2035 wird laut Statistischem Bundesamt knapp die Hälfte der Deutschen 50 Jahre und älter sein, jeder Dritte davon älter als 60 Jahre. Die Älteren leben in einer materiell wesentlich gefestigteren Situation als 65- bis 85-Jährige vor 20 oder 30 Jahren. Im Durchschnitt verfügen sie über ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von rund 2200 Euro, mehr als jeder Zweite wohnt in der eigenen Immobilie, so das Ergebnis der Generali-Altersstudie 2013.

Zum Alter stehen

Sicher, teilweise gibt es spannende Entwicklungen, die sich mit den Bedürfnissen älterer Menschen auseinandersetzen, weiß auch Höhs – etwa die Konzeption eines seniorenfreundlichen Supermarkts mit großen Lupen, spezielle Senioren-Handys oder beispielsweise Möbel mit Pfiff und Komfortfunktionen – im Übrigen alles Produkte, die auch jüngere Leute schätzten. Fortschritte, die ihr aber zu wenig sind. Die Zahl der Arbeitslosen über 55 steige wieder. Sie selbst hat den Eindruck, dass es einfach nicht chic sei, für Ältere oder mit Älteren zu arbeiten.

Immerhin: Mittlerweile findet man in Werbespots auch zunehmend ältere Gesichter. Auch gibt es hierzulande Werbeagenturen, die wie Höhs, auch Models über 30 in der Kartei haben. „Man muss zu seinem Alter stehen“, findet sie. Von aufgespritzten Falten und OP-Zombies hält sie nichts.