In der Illenau stünden viele Räume leer, sagt der Vorsitzende des Vereins "Geraubte Kinder – vergessene Opfer". Acherns Oberbürgermeister Klaus Muttach sagt, diese Räume sind laut Beschluss des Gemeinderats nicht für Ausstellungen gedacht. Foto: Stadt Achern

Freiburger Verein wirft Oberbürgermeister vor, er wolle eine Wanderausstellung über "geraubte Kinder" in der Illenau nicht haben.

Achern - Der Verein "Geraubte Kinder – vergessene Opfer" würde gerne im Acherner Festsaal Illenau eine Wanderausstellung zeigen. Inhalt: Die Schicksale der während der Nazizeit aus Polen nach Deutschland verschleppten Kinder. Die Stadt Achern hat momentan nach eigener Aussage keine geeigneten Ausstellungsräume und lehnte das Gesuch ab. Jetzt gibt es Ärger.

Die Illenau wurde 1842 erbaut und fungierte als "Heil- und Pflegeanstalt" für psychisch Kranke. Die "Nationalpolitische Erziehungsanstalt für Mädchen" auf der Illenau in Achern gehört wohl zu den dunkelsten Kapiteln der Stadtgeschichte. 1940 eingerichtet, wurden dort zwischen 400 und 500 Mädchen aus Südtirol unterrichtet – und in einem Nebengebäude lebten zwischen 40 und 60 Mädchen wohl hauptsächlich aus Polen, die von der SS optisch als "rassisch wertvoll" eingestuft worden waren. Sie sind auf offener Straße von Deutschen entführt oder direkt in den Wohnungen ihrer Eltern abgeholt worden. Anschließend wurden sie von der "Abteilung Erb- und Rassenpflege" vor-ausgewählt und schließlich dem SS-Lebensbornverein übergeben.

In der Illenau angekommen, wurde versucht, sie zu deutschen Mädchen umzuerziehen – und zwar in der Ideologie, die Adolf Hitler vorgeschrieben hatte. Wer sich widersetzte, wurde geschlagen, eingesperrt und bekam das Essen verweigert. Von 1943 bis 1944 war die Illenau dann eine "Nationalpolitische Erziehungsanstalt für Jungen". Im Moment hat die Stadtverwaltung dort ihren Sitz, denn das Rathaus in der Innenstadt wird saniert.

Christoph Schwarz, erster Vorsitzender des Vereins "Geraubte Kinder – vergessene Opfer" hat in zu diesem Thema bereits in Freiburg eine Wanderausstellung gezeigt.

Vom 9. Mai bis 16. Mai hätten sich die Schau 4000 Menschen, darunter 20 Schulklassen angeschaut, schreibt er in einer Mitteilung. Jetzt möchte er die Ausstellung gerne in Achern in der Illenau zeigen. Doch: "Diese Ausstellung soll nach Willen der Stadtverwaltung Achern nicht in der Illenau gezeigt werden", so Schwarz.

Zwei Mal habe der Verein schon an Oberbürgermeister Klaus Muttach (CDU) geschrieben: Im März habe die Stadt verlauten lassen, dass "derzeit keine Räumlichkeiten für die Präsentation der Ausstellung wegen des Rathausumzugs langfristig zur Verfügung stehen". Die zweite Antwort fiel auch negativ aus: "Aufgrund fehlender räumlicher Verhältnisse und zum Anderen aus terminlichen Gründen ist eine Durchführung des Ausstellung in den Räumlichkeiten der Stadt Achern nicht möglich". Schwarz bezeichnet die Antworten der Stadt als "hanebüchen". Die vermeintlich wahre Grund liegt für ihn auf der Hand: "Dieses brutale Kriegsverbrechen will die Stadt Achern offensichtlich verschweigen."

Als Beweis, dass sehr wohl Platz auf der Illenau wäre, schickte der Vorsitzende neben seinem Hilfegesuch auch Fotos von leer stehenden Räumen in der Illenau an die Presse im Ortenaukreis. Außerdem verfasste er einen Aufsatz "zur verschwiegenen Geschichte Acherns". Darin heißt es unter anderem in einer Bildunterschrift zu einer Fotomontage auf der die damalige Heimleiterin Klara Keit, im Hintergrund die Illenau und rechts als einmontiertes Foto ein Bild von Oberbürgermeister Muttach zu sehen ist: "Wie damals die Anstaltsleiterin Klara Keit – überzeugte Nationalsozialistin – residiert heute der CDU-Oberbürgermeister Klaus Muttach im Gemäuer des ehemaligen Nazilagers für geraubte Kinder."

Oberbürgermeister Muttach versucht ruhig zu bleiben: "Auf die ehrverletzenden und diffamierenden Bemühungen des Herrn Schwarz, politisch Verantwortliche der Stadt in eine wie auch immer geartete Beziehung zum Gedankengut des Nationalsozialismus zu bringen, möchten wir nicht eingehen, weil solche Überlegungen weder sachlich noch an Absurdität zu überbieten sind", teilt er schriftlich mit.

Bereits 2013 sei von der Verwaltung festgelegt worden, dass, keine Ausstellungen in den Fluren der Illenau gezeigt werden dürfen. "Diese grundsätzliche Entscheidung war zeitlich weit vor der Anfrage von Herrn Schwarz und bezog sich ausschließlich auf die Überlegung, das einzigartige Ensemble der Illenau auf diese Art und Weise bestmöglich zur Entfaltung zu bringen, aber auch auf die bauliche Situation, die im Gegensatz zum früheren Rathaus Kernstadt wenn überhaupt nur sehr eingeschränkt solche Ausstellungen zulässt", erläutert Muttach. Manche Ausstellungen fänden daher für den Zeitraum des Rathausumbaus in den Räumen der Banken statt. Daher habe die Stadt Achern für die Wanderausstellung "Geraubte Kinder" beim Gymnasium Achern, der Grund- und Werkrealschule Achern, der Robert-Schuman-Realschule und auch den Banken angefragt, ob in deren Räumen die Schau gezeigt werden könne – "allerdings sah keine der angefragten Einrichtungen eine Möglichkeit für die Ausstellung".

Die Verantwortlichen der Stadt, also Verwaltung und Gemeinderat, hätten in der Vergangenheit vielfach die Möglichkeit genutzt, das Schicksal der polnischen Mädchen in der Illenau zu thematisieren. Achern setze sich vollumfänglich und ohne Tabus mit der Geschichte der Illenau auseinander. "Wenn die aktuelle räumliche Situation die gewünschte Ausstellung nicht zulässt – dies gilt auch für die künftige Begegnungsstätte, die als gegenwärtige Baustelle keine Ausstellung ermöglicht – ist dies bedauerlich, aber keine Rechtfertigung dafür, dass Herr Schwarz die Gegebenheiten wahrheitswidrig darstellt und Personen diffamiert", betont Oberbürgermeister Muttach.