Die Führung des Kreisverbandes kann ich nicht mehr mittragen: Rolf-Peter Kress tritt aus der CDU aus Foto: Thimme

Rolf-Peter Kress fühlt sich aus dem Bezirksbeirat Stuttgart West gemobbt. Die AfD überlässt ihm einen Sitz. Ein Brief des früheren Bezirksgruppenchefs an den Kreisvorsitzenden Stefan Kaufmann kommt einer Abrechnung gleich.

Stuttgart - Jahrzehntelang ist Rolf-Peter Kress das Gesicht der CDU im Stuttgarter Westen gewesen. Jetzt haben die Christdemokraten ihr Gesicht verloren. Am Dienstag erklärte Kress den Austritt. Der Brief des früheren Bezirksgruppenchefs an den Kreisvorsitzenden Stefan Kaufmann kommt einer Abrechnung gleich. Die Adressaten werfen Kress allerdings die Verdrehung von Tatsachen vor.

Der Zeitpunkt hat es in sich: Am Freitag kommender Woche will sich der Bundestagsabgeordnete Kaufmann für weitere zwei Jahre zum Kreisparteichef wählen lassen. Mit Schwierigkeiten ist zwar nicht zu rechnen, weil er die Niederlage seines OB-Kandidaten Sebastian Turner als gutes Ergebnis verkaufte und der Wiederaufstieg der CDU zur hauchdünn führenden Fraktion im Rathaus seinen Kopf rettete. Doch der Eklat im Stuttgarter Westen ist ein Schönheitsfehler.

Kress (63) zieht vom Leder. Unter seinem Nachfolger Mathias Oehlschlägel werde mit Duldung durch Kaufmann seit Oktober 2011 die Bezirksgruppe West förmlich zerstört – und neuerdings auch die Bezirksbeiratsfraktion. Oehlschlägel, der für Kaufmann hauptamtlich im Stuttgarter Abgeordnetenbüro arbeitet, sei ein Vorbild im Titelsammeln und Schönreden. Sogar von „Mandatssucht“ redet Kress. Oehlschlägels Vorstandskollegin Susanne Wetterich, die auch dem Kreisvorstand und Vorständen bei CDU-Organisationen angehöre, schließt der Abweichler ein. Die Mitgliederzahl im Westen sei von einst 240 um rund ein Viertel auf 170 zurückgegangen. Öffentliche Veranstaltungen gebe es kaum. Im Kommunalwahlkampf habe Wetterich ihn ausgeschaltet. Die West-Kandidaten der CDU für den Gemeinderat seien dann untergegangen. Eignung sei nicht mehr wichtig, Eitelkeit regiere. Was in der West-CDU laufe, könne kein Vorbild für die politische Arbeit der CDU in Stuttgart sein.

Kress – immerhin 36 Jahre für die CDU im Bezirksbeirat, davon fast 20 Jahre als Fraktionschef, und außerdem fast 20 Jahre Chef der Bezirksgruppe – geht auch Kaufmann an: „Ihre Führung des Kreisverbandes und seiner Bezirksgruppen, ebenso wie die von Ihnen gewählten Politikschwerpunkte kann ich nicht mehr mittragen“, schreibt er ihm.

Sein Abgang geht einher mit der Ankündigung, dass er im Bezirksbeirat künftig einen Sitz bekleiden werde, den ihm die Alternative für Deutschland (AfD) überlasse – „zunächst“ ohne Mitgliedschaft. Ihm geht es vor allem um die Mitwirkung im Bezirksbeirat. Und genau dies hatte ihm seine bisherige Partei verweigert. Als die Hauptversammlung im Westen dem CDU-Kreisverband die künftigen Bezirksbeiratsmitglieder vorschlug, kam von den fünf Bewerbern nur Kress nicht durch. Mit knappem Vorsprung wurde aber Wetterich nominiert, mit der ihn frühere Scharmützel und eine längere Abneigung verbanden. Kress wittert Machenschaften und fühlt sich aus dem Bezirksbeirat gemobbt. Dem Kreisvorstand lastet der Abgewählte an, dass er die Entscheidung der Bezirksgruppe nicht korrigierte.

Die Gescholtenen wiesen die Kritik entschieden zurück. Was Kress über sie verbreite, entspreche nicht den Tatsachen, sagte Wetterich. Eine Schlammschlacht mache sie aber nicht mit. Oehlschlägel sagte, aus Kress spreche persönliche Frustration, weil ihn die Mehrheit im Westen nicht mehr nominierte. Die Kompetenz von Kress in Fragen des Stuttgarter Westens wolle er gar nicht bestreiten. Dennoch sei es richtig gewesen, dass man diesen „Schnitt“ und diesen Generationswechsel nicht erst in zwei oder drei Jahren vollzogen habe, wie von Kress geplant. Kress habe die Fraktion „autoritär geführt“ und nicht zugelassen, dass sich die anderen einbringen.

Beim Wechsel an der Spitze der Bezirksgruppe habe es 220 Mitglieder gegeben, räumte Oehlschlägel ein. Dass es jetzt nur noch „knapp 180“ seien, liege nicht an ihm, sondern an der Bereinigung der CDU-Kartei um beitragssäumige Mitglieder. Auf Anfrage sagte Oehlschlägel auch: „Ich bin nicht die von Kaufmann eingesetzte Marionette im Westen.“ Gewählt habe ihn die Bezirksgruppe zu Kaufmanns Überraschung mangels anderer Kandidaten – „auf Vorschlag von Herrn Kress“.