Kernkraftwerk Philippsburg Foto: dpa

Die Beendigung des Kapitels Kernenergie ist ein gewaltiger Kraftakt. EnBW gründet nun eine eigene Gesellschaft für den Abbau von Reaktoren und mahnt die staatlichen Stellen, die Endlagersuche nicht weiter zu verzögern.

Die Beendigung des Kapitels Kernenergie ist ein gewaltiger Kraftakt. EnBW gründet nun eine eigene Gesellschaft für den Abbau von Reaktoren und mahnt die staatlichen Stellen, die Endlagersuche nicht weiter zu verzögern.

Philippsburg - Vor dem Abbau der Atomkraftwerke Philippsburg und Neckarwestheim will der Betreiber EnBW dort bis 2017 mehrere Gebäude für die Bearbeitung von Reststoffen und die Lagerung von Abfällen errichten. Eine neu gegründete Gesellschaft werde dann an beiden Standorten ein Reststoffbearbeitungszentrum betreiben, teilte der Geschäftsführer der EnBW Kernkraftsparte, Jörg Michels, am Montag in Philippsburg (Kreis Karlsruhe) mit. Die Genehmigung dafür soll bis Ende Juni beantragt werden. Der Abbau der beiden älteren und bereits abgeschalteten Reaktorblöcke soll sich bis mindestens 2030 hinziehen, kann aber nach Angaben von Michels auch bis 2035 dauern.

Deutschlands drittgrößter Energieversorger ist bei dem neuen Geschäftsfeld noch auf der Suche nach einem strategischen Partner. Gespräche mit Bilfinger über eine Zusammenarbeit beim Management von Reststoffen seien „in beiderseitigem Einvernehmen“ ohne Ergebnis beendet worden. Jetzt werde geprüft, ob es weitere Interessenten gebe. Hier eröffne sich die Perspektive eines neuen Geschäftsfelds mit der Vermarktung eines Konzepts für den Abbau von kerntechnischen Anlagen in Europa und die Behandlung von Reststoffen.

„Wir schaffen die Infrastruktur allein für den Rückbau unserer Anlagen, eine Nutzung durch Dritte ist nicht vorgesehen“, betonte Michels. Er kündigte aber an, dass Dampferzeuger und Wärmetauscher von Philippsburg I in das geplante Reststoffbearbeitungszentrum nach Neckarwestheim (Kreis Heilbronn) transportiert und dort zerlegt und behandelt werden sollen. Ein Teil davon solle als radioaktiver Abfall zeitweise in Neckarwestheim zwischengelagert und dann wieder nach Philippsburg gebracht werden.

An beiden Standorten gibt es erhebliche Widerstände in der Bevölkerung gegen die Zwischenlagerung von Atommüll. EnBW hat erst kürzlich Pläne bekanntgegeben, wonach auch aus dem abgeschalteten Atomkraftwerk Obrigheim (Neckar-Odenwald-Kreis) radioaktives Material zur Lagerung nach Neckarwestheim gebracht werden soll.

Neckarwestheim II muss bis Ende 2022 vom Netz gehen

„Der Rückbau ist Teil der Energiewende und wir wollen diesen aktiv vorantreiben“, sagte Michels. Beim Abbau von Philippsburg I und Neckarwestheim I profitiere EnBW von seinen Erfahrungen in Obrigheim - dort wird zur Zeit der untere Reaktorkern im Reaktordruckbehälter zerlegt. Allerdings seien die Anlagen, deren Abbau in den nächsten Jahren in Angriff genommen werde, wesentlich größer.

EnBW hat die Anträge für Stilllegung und Abbau der beiden Einserblöcke im Mai 2013 eingereicht. Nach derzeitiger Einschätzung könne das Prüf- und Genehmigungsverfahren noch bis etwa Mitte 2016 dauern, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums in Stuttgart. Die Unterlagen zu den Anträgen hätten bis Ende 2013 eingereicht werden sollen. „Da gab es eine Verzögerung, die Unterlagen sind bei weiterm noch nicht vollständig.“ Es gebe aber die begründete Erwartung, dass bis Ende Juni alles vorliege. Michels kündigte an, dass die noch fehlenden Dokumente zeitnah zur Verfügung gestellt würden.

Drei große Fragezeichen machte EnBW bei der Präsentation seiner Abbaustrategie, als es um die Frage der Endlagerung ging. Hier liege die Verantwortung bei den staatlichen Stellen, sagte Michels. Das geplante Endlager im Schacht Konrad bei Salzgitter für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sei nicht vor 2021 zu erwarten. Zudem gebe es bereits Diskussionen über eine weitere Verzögerung. Und bei den hochradioaktiven Abfällen wie abgebrannten Brennelementen sei die vereinbarte Kommission zur Bestimmung der Rahmenbedingungen für die Suche nach Endlager noch gar nicht besetzt.

„Das Kapitel Kernenergie in Deutschland wirklich zu beenden, benötigt Endlager“, sagte Michels. „Wir dringen darauf, dass die staatlichen Stellen ihrer Verantwortung nachkommen und für eine zügige und verlässliche Bereitstellung von Endlagern sorgen.“

Die jeweils ersten Blöcke an beiden EnBW-Standorten wurden wenige Tage nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 abgeschaltet. Noch in Betrieb ist jeweils ein zweiter Block. Philippsburg II muss im Zuge der Energiewende bis Ende 2019, Neckarwestheim II bis Ende 2022 vom Netz gehen.