"Spiegel Online" Geschäftsführerin Katharina Borchert (l) und die stellvertretenden Chefredakteure Barbara Hans (M) und Florian Harms. Foto: dpa

Es ist gerade einmal zwei Jahrzehnte her, dass sich erste Medien ins World Wide Web trauten. In Deutschland war der Spiegel-Verlag ein Vorreiter. Aus einer einst grauen Seite hat sich ein opulentes Nachrichtenportal entwickelt.

Hamburg - Vom Pionier zum etablierten Nachrichtenportal: „Spiegel Online“ wird 20 Jahre alt. Die Redaktion hat ein Jubiläums-Projekt im Internet entwickelt, das seit Dienstag online ist. In zwei Zeitschienen wird mit Text, Bild und Video dargestellt, was bei „Spiegel Online“ seit dem 25. Oktober 1994 bis heute geschah - und daneben, was die Welt bewegte. Für Mitte nächsten Jahres ist bereits ein überarbeiteter Internetauftritt angekündigt. Dann werden bei dem Portal kostenpflichtige Zusatzangebote eingebunden.

Als Pionier in Deutschland wagt sich der Spiegel-Verlag 1994 ins World Wide Web. Schlicht grau fängt er damals im Internet an, einen Tag bevor das US-Magazin „Time“ online geht: Zwei Redakteure stellen im Wochentakt bis zu 15 Artikel aus dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ auf die zunächst farblose Nachrichtenseite. Erst im Folgejahr wird die von nun an unter www.spiegel.de zu findende Homepage typisch „Spiegel“-rot, erste Werbebanner folgen - trotz Protest aus dem Netz. Im Zuge der damaligen Internet-Euphorie und schneller werdender Übertragungsraten wachsen Redaktion und Nutzerzahlen.

„Es gibt eine Wechselwirkung mit der technischen Weiterentwicklung. Durch den einfacheren Zugang ist das Netz immer mehr zu einem Massenmedium geworden“, sagt die stellvertretende „Spiegel Online“-Chefredakteurin Barbara Hans. Gemeinsam mit Florian Harms vertritt sie „Spiegel“-Chefredakteur Wolfgang Büchner, der für das gedruckte Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und das Internet-Angebot verantwortlich ist und beides enger verzahnen soll. Dass sich „Spiegel Online“ einen Namen macht, wird in Krisenzeiten deutlich: Bei den Terroranschlägen vom 11.

September 2001 in den USA bleibt „Spon“ - so die Abkürzung - im überlasteten Netz stets erreichbar und gewinnt ein Fünftel Nutzer hinzu. 2003 informieren sich wöchentlich 1,5 Millionen Menschen über das Portal, ein englischsprachiger Auftritt kommt hinzu (2004) und 2005 folgen erstmals schwarze Zahlen.

Rund 10,5 Millionen Nutzer monatlich

Kontinuierlich werden neue Angebote und Rubriken ergänzt, wird der Web-Auftritt überarbeitet und für mobile Endgeräte neu entwickelt. Rund 10,5 Millionen Nutzer klicken sich derzeit monatlich auf die stationären Angebote von „Spiegel Online“ (AGOF internet facts 2014/05-07), damit gehören sie zu den „Top Ten“ in Deutschland. Konkurrenten sind über die Jahre Auftritte anderer Medien wie „bild.de“ oder „Focus Online“ geworden.

Für Mitte 2015 ist bei „Spiegel Online“ ein erneuter Relaunch geplant: „Nachrichten-Sites sind kein Büro-Medium mehr. Sie werden bis spät in die Nacht und früh am Morgen über die unterschiedlichsten Kanäle aufgerufen und zudem in Pausen abgefragt - in der Schlange beim Bäcker ebenso wie in der U-Bahn. Dieses Nutzungsverhalten über alle Kanäle optimal zu bedienen, ist unsere Herausforderung“, erläutert Vize Harms.

Die nächtliche Nachrichtenlücke hierzulande wird mittlerweile via Australien mit dem Wichtigsten vor allem aus Asien gefüllt. Beim Relaunch Mitte 2015 soll „Spon“ mit kostenpflichtigen Zusatzangeboten an den Start gehen. Dann werden die Inhalte des Printmagazins nicht mehr nur als ganzes digitales Heft zu haben sein, sondern je nach Inhalt und Ressort auch an den dazu passenden Stellen, wie Spiegel-Verlags-Geschäftsführer Ove Saffe ankündigte. Dieses Zusatzangebot soll voraussichtlich per Abo-Gebühr erhältlich sein, der Zugang zu „Spon“ kostenfrei bleiben.

Dann wird sich das Internetportal nicht mehr zu 100 Prozent aus Werbung finanzieren, was derzeit eine zweistellige Rendite abwirft. Was „Spiegel Online“-Geschäftsführerin Katharina Borchert von der Werbewirtschaft erwartet, sind modernere Werbeangebote für mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets. „Wir brauchen da mehr Mut zum Experimentieren. Der Werbebanner ist nicht der letzte Schluss.“

Auch die 150 Mitarbeiter starke Redaktion wird den gesellschaftlichen Veränderungen angepasst: Drei Redakteure mit leitender Funktion koordinieren jeweils das Segment Bewegtbild (Video-, TV- und Multimedia), Mobil beziehungsweise Soziale Medien. „Wie erreichen wir junge Menschen, ohne unsere treuen Nutzer zu verprellen. Das wird der Spagat sein“, bilanziert Borchert.